MELCHIORs Gekritzel
Murnau, meine Vaterstadt
In seinem neuen Roman LEKTIONEN von 2022 führt Ian McEwan eine deutsche Schriftstellerin namens Alissa ein, die einen Roman IN MURNAU veröffentlich hat :"'In Murnau' beschrieb ein ländliches Bayern, in dem sich Kleinstadtnazis, die in der Hackordnung zu weit unten gestanden hatten, um für die Nürnberger Prozesse interessant zu sein, Ende der Vierziger-, Anfang der Fünfziger Jahre erneut in Kommunalverwaltung, Industrie und den diversen Kontrollgremien der Landwirtschaft breitgemacht hatten. Alissa nannte sie alle beim Namen und schilderte die Rolle, die sie im Krieg und nach dem Krieg gespielt hatten. Die gesamte Bevölkerung aber, egal, auf welcher Ebene, verleugnete, was geschehen war. Eine Passage im Buch lautete genau so , wie Alissa es Roland einmal beschrieben hatte - die Straßen, die leeren Häuser mit den Gespenstern der derjenigen, die man zu unaussprechlichen Bestimmungsorten abtransportiert hatte. Niemand redete darüber. Alle erinnerten sich an die Namen und Gesichter ihrer Nachbarn, die einmal dort gelebt hatten, kannten die Gespenster und die Kinder dieser Gespenster also genau. Man hasste die unweit stationierten Amerikaner, begrüßte aber das Geld des Marshallplanes. Spender und Spende waren irgendwie zweierlei. Als die Wirtschaft sich erholte, begann ein Gerangel um Dinge, um Konsumartikel, unter denen die kollektive Erinnerung begraben wurde. Die Mörder erricheteten ihr neues Haus auf einem Fundament aus Leichen." S.539 f
Kaddish 2021 : wir sind die ersten, die Steine auf ein jüdisches Grabmal nieder legen. Weit draußen im Wald. Hier liegen Antonia und James Loeb. In Murnau, meiner Heimat-
gemeinde, der Loeb nicht nur ein Krankenhaus, sondern auch ein Darlehen schenkte, das die Murnauer zwar nach 1933 weiterhin genossen, nicht aber mehr unter dem Namen "des Juden".
Das ist ein Nachbar aus dem Hause gegenüber, Schneckenburger 20, hier auf der späteren Leopoldstraße im Jahre 1911 im Alter von 41 Jahren. Acht Jahre später war es ihm gegeben, in den Räumen Fenster an Fenster gegenüber den jungen Revolutions-Aktivisten Eugen Leviné vor den Mördern der weißen Garden zu verstecken.
26 Tage lang. Später, mit Leviné vor Gericht, wurde Botho Robert Schmidt freigesprochen.
Leviné wurde füsiliert.
Ein anderer Nachbar, im nächsten Hochverrats-Prozess, vier Jahre später
wurde in Festungshaft genommen und vorzeitig entlassen.
Sodass er sein Werk vollenden konnte
in einer Wohnung, zwei Ecken weiter.
Gemäß der von ihm erfundenen Vorsehung.

München lag danach in Tümmern.
28.3.03
Der Löwe an der Münchner Feldherrnhalle
ist auch nicht für den Krieg des George W.Bush im Irak.
Anders als dessen lauthalsige Befürworter
Wolf Biermann, H.M.Enzensberger, Henryk M. Broder, Josef Joffe ( DIE ZEIT ) oder Helmut Karasek,die sich damit für Abu Ghraib und Guantanomo persönlich verantwortlich gemacht haben. Auf AUFSTACHELUNG ZU EINEM ANGRIFFSKRIEG stehen bekanntlich
nach StGB § 80 nicht unter 10 Jahren Haft bis lebenslänglich.

WANN
haben die Genannten die eigentlich abgesessen ?
DER VOYEUR
im Bilde links, wie er in der Alten Pinakothek München ins Auge fasst was Michael Pacher und andere Mittelaltermeister für ihn gemalt haben damit er, der Voyeur, es nun voyeurieren, visitieren, voyeurisieren, mit den Augen zwar nicht begreifen,aber doch in Besitz nehmen kann.
24.3.08






La voyeuse
Rom Thermenmuseum
19.3.02



Barock aufgepolsterte Voyeurin,
vor Rubens' Höllensturz der
gleichgearteten, allerdings
nackerten Dicken.

Alte Pinakothek München
12.2.06
"Huch, das soll der neue Papst sein !"
"Der letzte große humoristische Roman der deutschen Sprache, war der DER ERWÄHLTE von Thomas Mann".
Marcel Reich Ranicki 1994.
Der Voyeur
bei der Arbeit : der Herr rechts sitzt nur da
damit seine Gattin eine Rückenstütze hat
während sie den Katalog studiert.
Sobald sie den zuklappt, erhebt er sich. Erleichtert.
Männerschicksal beim fast immer weiblich
veranlassten Museums-Besuch.
Museo Thyssen-Bornemicza Madrid
1.11.02
Der Voyeur
ist gar kein Betrachter, Schauer,
Beschauer, Wahrnehmer -
schon gar nicht ist er ein Entdecker :
er kommt ohne
eigene Augen & Gesichtssinn aus,
denn er wird von einer Stimme
gelenkt die ihm befiehlt
was er zu besichtigen hat.

Colmar Musée Unterlinden
19.5.02
Voyeur mit Hund an der Leine,
der solchermaßen gehindert ist
andere Voyeure
zu verbellen oder gar den Kulturreferenten
zu zerfleischen.
Bamberg, 16.7.17
Alles Augenmerk also
bitte auf den bemerkenswerten Hund !

Nachwuchs-Voyeur
mit Mutti vor einem Höllenbild
des genuesischen Finsterfantasten
Alessandro Magnasco ( 1667-1747 ) :
"Ich möchte da nicht rein,
in die Unterwelt da".

Haus der Kunst München
7.2.03




Trunkener Silen,
Nüchterner Voyeur

Alte Pinakothek München
26.10.08
KAUERNDE
von Rodin
mit Nachwuchs-Voyeur


Neue Pinakothek München
9.2.03
Auch der
Voyeur ( rechts ) muss zeitweise nachdenken.
Der Penseur dagegen ( links ) denkt immerzu nach.
Sogar auf der französischen 2€-Münze, befingert von toute la Nation.

Sein Original sitzt vor dem Höllentor
im Musée Orsay in Paris in einem figurenreichen
Gips-Ensemble
bei dem man dankbar
ist dass es nie in Erz gegossen wurde.
Solo & allein grübelt der Penseur ja auch
weitaus eindrucksvoller vor sich hin.
Was lernt uns das ?

Strasbourg musée d'art moderne
17.4.04




Kardinal Pietro Mellini,
1474 in Marmor gehauen von Benedetto da Maiano
besichtigt seinen Voyeur.

Florenz Barghello 8.4.07
Fassbinder 40 Jahre im Himmel

"Wie ist es denn so da oben ?"
"Wann doch blos oana da waar, der wo CUT ! plärrt".


Museo Barghello Florenz
4.3.06
Als ich in der Montgelasstraße ( München-Bogenhausen )
wohnte, wurde ich immer gefragt : wie, Montgelas - ?
Klingt, als hätte er das Speiseeis erfunden.
Maximilian Conte de Montgelas hat in den 1790er Jahren Baiern ( wie er es sich wünschte ) auf ein Stück Aktenpapier gekritzelt, und es dann mit List & Napoleon erschaffen. Wie es heute noch existiert ( "Ich dachte immer, das war Ludwig II.,der hat doch auf seinem silbernen Schwan auch das Mittelalter erfunden, wie jeder Japaner weiß, der je in Neuschwanstein war, und welcher Japaner bitte war nicht da". )
Der andere rechts ist sein Zeitgenosse Carl von Dahlberg. Der begann als Erzbischof von Mainz und damit Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ( des was ? ) bis zu dessen Ende 1806
( wann ? ) , wurde durch Napoleon zum Fürsten von Frankfurt-Würzburg-Bamberg, und nach dessen Ende von Regensburg. Wo er immerhin das Stadttheater gründete. Hatte er doch auch schon Schiller beim Verfertigen des WILHELM TELL geholfen.

München, Residenz 7.4.06
Zwei oszillierende Gestalten des Übergangs,
der "Achsenzeit" ( Alfred Weber ) um 1800,
in der ich meinen Roman
DIE LEIDEN DER WUNDERTÄTER spielen lasse.
( Wer sich interessierte, könnte ihn ja unter MELCHIORs Bücher
herunter laden...)
Links im Bild : Montgelas, angemessen riesig vor seinem Wohnsitz
am Münchner Promenadeplatz.
Nur die Grünen waren dagegen.


Freiburg, Münsterplatz,
7. Juni 2002,
abends vor dem Alten Kaufhaus.
Zwei italienische Damen diskutieren,
ob wiederum zur Opernsaison in
der Arena von Verona
gefahren wird.
Ma douce France eternelle :
fürs Mittagessen
wird nach Meeresfrüchten gestochert.
Nur der Deutsche mags Gewürm nennen.
Île d'Oléron, Le Château, 30.5.02.im Hintergrund die Brücke die
zum aquitanischen Festland führt.
Café du Commerce,
Saint Pierre d'Oléron 2.6.02
Der genialisch Zerwühlte in der Mitte
ist der scheue Betreiber des Kinos.
Ehrgeizig bei den Premieren gleichauf
mit Saint Germain de Pres, aber wehe man lobt ihn dafür -
dann macht er verschreckt zu -
autistisch wie alle Cinemanen.
Amsterdam, Tropenmuseum 17.4.09
"Wenn jedes Ausstellungsstück eine Stimme hätte,
herrschte im Tropenmuseum ein grenzenloses
Stimmengewirr."
Auch der Versklavten und Erschlagenen.
Anders als in deutschen ethnologischen Museen
drücken sich die Holländer nicht um die Verbrechen ihrer
Vorväter in den Kolonien.
Steinhausen / Österreichisch Schwaben 8.6.02
Eine der schönsten Kirchenbauten von Dominikus Zimmermann.
Nach deren Besichtigung im Café eine Busladung aus Aachen.
Erste von links :"Ich werfe meine Rente nich zum Fenster raus.
Wat, sieben Kinder haben Sie ? Danach sehn Sie nich aus."
Zweite von links: "Die Kirche is 1731 erbaut".
Dritte von links :"Wat, seh ich nich nach aus ?"
Danach schweigen die Erste und Dritte sich feindselig an bis
zum Ende des Beobachtungszeitraums.
Die Vierte von links, in die Stille hinein : "Wat, so alt schon ?"
Café du commerce, St.Pierre !
Hier hab ich als Schnellporträtist meine besten Fänge gemacht. Die Nachbartische waren nur wenige Armlängen entfernt
und da Franzosen eh ständig in Conversation begriffen sind, haben sie den zeichnenden Voyeur nie bemerkt.

26.5.10
"Diese Morgenspaziergänge waren meine besondere Freude, und ich darf sagen, die schönsten und poetischsten Stunden
meiner Oléron-Tage auf diesem prächtigen Rempart zugebracht zu haben. Je nach der Stunde,zu der ich hinaustrat, fand ich Flut oder Ebbe, begrüßte ich das steigende oder das schweigende Meer."
Theodor Fontane 1871 über die Ile d'Oléron
Café du Commerce !
Der Besucher meiner Website
( der,ätsch, Voyeur )
weiß inzwischen, wo.
Stammgäste, allmittäglich hier anzutreffen.
Wie, durch Jahrzehnte jeden Sommer auch wir -
meine Frau Irmtraud und ich.
26.5.10
Florenz.
Eine deutsche Kunsthistorikerin,
ein deutscher Kunsthistoriker :
"Muss verrückt gewesen, Julius II. -
Kapelle nich fertig gekriegt..."
Sie schweigt.
"Boboli-Gärten - warst du doch sicher
auch enttäuscht..."
Sie schweigt.

Café Pitti 2.11.03
Madrid, Museo reina Sophia, 3.11.02
Versunkenheit vor Picassos GERNIKA.Stille wie in einer Kirche. Noch nie erlebt vor einem Gemälde.Die beiden Wachkerle lassen die Besucher nicht aus den Augen. Nicht einmal Niederknien lassen sie durchgehn ( mir, um zu zeichnen ). Trotzdem wirken die rüden Burschen wie eine Ehrenwache. Als ( wenig später ) US-Außenminister Powell im UN-Gebäude in New York die gefälschten Beweise der Bush-Regierung vorlegt, die den Angriff auf den Irak rechtfertigen sollten, wird vorher die Kopie von GUERNICA zugehängt.






Argenton sur Creuse
Département Indre
28.7.05
Nach einer überaus langen Reise
von Sibirien nach Lübeck,
von da in die Poschingerstraße in München-Bogenhausen,
nach der Plünderung derselben durch die SA ins Schaufenster
eines Kurzwarengeschäfts im Hackenviertel wo er Häkeldeckchen
vor seinen Bauch halten musste steht Thomas Manns Bär nun im
Münchner Literaturhaus.Nach jeder Renovierung blonder, aber
immmer noch das Tablett für die Visitenkarten in den Tatzen
wie in den BUDDENBROOKS.
18.2.10

"Den ?
Den habe ich gekriegt für die eins im Zwischenzeugnis".
München, Pinakothek der Moderne
ein Bau den ich bewundere. Drum herum nur Bau-Schrecknis.Verantwortlich :
CSU-Kultusminister Zehetmaier, der sich immer bei den Marien-Wallfahrten der CSU nach Tunten( ! )hausen als Betbruder in der ersten Bank fotografieren ließ,
verbot dem Architekten dieses Jahrhundert-Bauwerks sogar
seine eigene Baustelle zu betreten und bei der Eröffnung zu sprechen.
Die Wallfahrten nach Tuntenhausen haben also nichts bewirkt...

7.12.03
"Wir hatten uns noch nie
etwas zu sagen, Herr Vetter".

Kardinal Leopoldo de Medici und sein Großneffe Gian Gastone, der allerletzte der Medici. Weil er auf seine Perücken mehr Mühe verwandte als auf seine Nachkommenschaft, fiel die Toskana an Österreich.

Eingang zu den Uffizien, Florenz 31.10.03
Enkel Hosea freut sich über die frechen Glasfiguren, die Peggy Guggenheim ( links, ihr Refrain-Satz "Ich ging hin und machte eine Szene" in ihren Memoiren erfreut uns immerdar ) nach Fauns-Zeichnungen von Picasso in Glas hat gießen lassen.

Venedig Museo Guggenheim
9.11.05

La Gomera
Valle gran rey 12.3.08

Playa inglés
Die Brandung ist so heftig, dass sich niemand ins Wasser traut. Der Strand hier heißt "inglés" weil er die Briten zu Recht an ihre Orkney-Inseln erinnert.Vor allem die schottisch wüsten Brecher.
Klovierswall ( auch schon von Kokoschka gemalt ) Amsterdam 18.4.09
Enkelin Naumia, damals 15, kriegt im coffeeshop keinen Kaffee, weil sie noch nicht 18 ist. Wir kapieren : hier wird nicht
Espresso verkauft, sondern Kokain. Drogenhandel bringt Reibach und ist darum nach calvinistischem Verständnis gottgefällig. Wie die Prostitution der 50jährigen Dickmamsells aus der Karibik gleich nebenan in den rosa Schaufenstern rund um die Oude Kerk , die Alte ( calvinistische ) Kirche .
Irmtraud zeichnet unerschrocken wie stets. Diesmal Ferdinand Hodler.Und wird es hinterher tous le monde ebenso unerschrocken zeigen. Wie alle ihre Zeichnungen. Ich traue mich nie, die meinigen zu zeigen. Erst hier, auf der Website...

Hypo-Kunsthalle, München 1.10.10


"Pagar ! Pagar !"
Zahlen, zahlen, ruft die Aufseherin
nachdem
ich sie beim Gähnen
vor dem Heiligen Sebastian
von El Greco erwischt habe.

Prado Madrid 31.10.02

Blockhouse
nennt der französische Volksmund
die Reste des Atlantikwalls
der so weit unten in der Biscaya
die Invasion der Alliierten
ohnehin nicht verhindern konnte.
Heute, fünfzehn Jahre später, berichtet Enkelin Naumia,
hat der Atlantik sie verschlungen.

Île d'Oléron, Grand Plage, Juni 2002
Aus Lanzada
angelehnt ans Bernina-Massiv, dem entlegendsten und unbekanntesten aller Alpentäler ( zumindest der Lombardei ) möchte man sich nicht mehr wegbegeben. Ich zeichnete mich darum in seine Felsen ein, hoffend, ein Bleiberecht zu erwirken.
Val Malenco 23.8.10
Die Epitaphe
im Kreuzgang des Freisinger Doms
haben eine individuelle Prägnanz wie nirgendwo sonst
auf Grabplatten, wo die Verewigten
in Stein gehauen alle schematisch gleich aussehen.
Nicht so hier.
Hier sind sie so unverwechselbar
als sprächen sie zu einem. Und sieht
der Mittlere nicht aus wie Carl Amery ?
Der die BESTIENSÄULE unten in der Krypta
in einen seiner Romane eingebracht hat.
Und dessen Vater hierorts Lehrer war
und zugleich das Modell
für Serenus Zeitblom, der uns in
Thomas Manns DOKTOR FAUSTUS
das Leben desselben erzählt.
18.10.03
Man geht nicht wegen der
exotischen Vegetation ins Palmenhaus
sondern wegen dem Rheuma.
Und kuckt trotz der wohligen Wärme
grimmig.
Grimmig. Grimmig.
Als nähme mans der
Treibhauswärme übel, dass sie einen vom Rheuma
erlöst und man danach draußen
nichts mehr zu jammern hat.

München Botanischer Garten
2.4.06
Ein Steinalter wird direkt neben meinem
rechten Ellenbogen ( grade, dass ichs zeichnen kann )
von einer zu allem entschlossenen 40jährigen
brünstig stöhnend abgeschmust.
Für eine Tochter/Enkelin ist sie
zu leidenschaftlich-libidinös,
für einen Liebhaber ist er zu teilnahmslos-statisch.
Das Rätsel blieb innerhalb des Beobachtungszeitraums
ungelöst.
Florenz, Piazza S. Spirito, 6.4.07
Eine denkbarst hinfällige
alte Dame schleppt sich mühsam von
einem der Fleischgebirge des Lucian Freud
zum nächsten und betrachtet sie mit sichtlichem Genuss.
Das kanns nur in London geben, in
der einzigen NATIONAL PORTRAIT GALLERY,
in der gnadenlose Konterfeis versammelt sind,
wie man sie auf dem Kontinent nie zu sehen bekommt,
wo seit Ludwig XIV. die Porträtisten die Porträtierten
mit dem Weichzeichner zuschminken müssen.
Bis zur Verunstaltung. Zur Verschönlichung.
Bis zur Entwürdigung. Des Porträtisten.
Nein : beider. Schaut euch die NATIONAL PORTAIT GALLERY an !
London 23.5.12
Café Cacatua, La Gomera 19.3.09.
Durchhängerische Siesta-Stimmung :
"Halligalli wieder, was, heut nachmittag !"
sagt einer zu seinem Hund.
Weitere Themen :
Schwänzeltanz / Saumagen / der Pfälzerwald.
Der rechte :
"Meine Mutter, die dumme Kuh" ( hebt bedeutungsvoll
die Stimme ) "in St.LEONROD bei Heidelberg..."
Bei dummen Mutterkühen ist genaue Ortung
unabdingbar.
Halligalli eben.
Zu meinen heimlichsten Vergnügungen
zählen die KIEFERSFELDENER RITTERSPIELE.
Zu den heimlichsten, weil noch jeder Bildungsbürger sich entsetzte, dem ich sie anpries. Gewiss, da war in den 80ern der Filmemacher Theo Kotulla ("Aus einem deutschen Leben" mit Götz George ) begeistert wie ich, aber gleich daneben giftete er höchstlinke Bruder des Verlegers Axel Matthes ( Matthes & Seitz ) : "Weg damit !" Dabei ist der prosodische Sprechton in K. kein anderer als der bei den heimischen OBERAMMERGAUER PASSIONSSPIELEN : "Haaa, sieeeeheeeee, und wisse denn, Verwooooooorrrrfner du - " In O'gau ist er mir unerträglich. In K. genieße ich ihn. Die Kiefersfeldener haben ihre Unschuld nie verloren.
Kiefersfelden 15.8.09
Max Strauss, links, altrömisch.
Auf dem Schildchen steht freilich
KAISER NERO.
Übereinstimmungen untersuchen !
Verwöhnt überfüttertes Bubi / überfürsorgliche
KraftMutti / darum verfrühtes Doppelkinn.

München, Glyptothek 24.4. 02
Voltaire und gleich daneben
"Die Hundescheiße, das ist ER" ( = Präsident de Gaulle ).
Für die Franzosen hat 1968 Museumsrang.
"L' imagination au pouvoir !" Die Fantasie an die Macht.
Et chez nous ? Das teutonisch-pastörliche '68
hat die Fantasie abgeschafft.

Dôle, Musée des beaux arts
12.6.10

Herrat
ernsthaft einen Katalog studierend
( alles was sie tut,
tut sie ernsthaft & ironielos.
Ich war der falsche, weil ironische Vater
für sie )

Lenbachgalerie München
8.9.03
Mit zehn war sie
ein Okanagon ( oder ein Mangola ? ),
schloss sich einem Indianerstamm an
den sie durch eine Fernsehserie
kennen lernte

und zog fortan
in Indianerkluft ins Gymnasium.
Als Erwachsene entdeckte sie, dass es diese
Fernseh-Indianer tatsächlich gab
und paddelte auf
ihren Spuren in British Columbia
mutterseelenallein den Fraser River hinunter....
LE VOYEUR

Allein der römische Statuenmann
ist sich sicher dass nichts zu sehen sein kann
wo nun einmal überhaupt nichts ist. Ich wiederhole :
Nichts ! Rien.Nada.Nothing. Niente.

Alle anderen, Touristen auf dem Münchner Marienplatz
anno 2007,begrinsen trotzdem hochgestimmt das
Glockenspiel im Rathausturm
obwohl das Läutwerk wie auch die Figuren komplett
abmontiert und zur Reparatur
in die Schweiz geschafft worden sind.

Aber nach wie vor in allen
Fremdenführern der Welt stehen.

Der Voyeur als Phantomgaffer.
Warum begafft niemand den armen römischen
Statuenmann, den einzigen Hellsichtigen ?
Im Hintergrund, mit dem spitzen Turm das HÔTEL DIEU
das edelste Altersheim des Spätmittelalters, eingerichtet
von den burgundischen Herzögen. Im Vordergrund die edelste der Confiserien am Ort.
Die britischen Touristen erwerben hier die edelsten der edlen Backkunstwerke -
und fressen sie mitten im Lokal auf ! Im Stehen !!! Aus der Hand !!!!!!!
( Ich weigere mich, sie dabei auch noch zu zeichnen )
Von da her begrüße ich den Brexit.
Und liebe mein Frankreich, weil ich dort in all den Jahrzehnten niemals,
jamais ! ein Kind der Grande Nation aus der Hand habe mampfen sehen.
Nicht im Stehen, nicht im Gehen. Nicht auf der Straße .
Achtlos, wie es auch hierzulande gang & gäbe geworden ist.
Welche Verachtung für sich selbst.
Beaune 19.6.07
Der gestreng-calvinistische Le Corbusier,
der den Nazis durchaus einiges abgewinnen
konnte ( erwartbare Bauherren ! ) hat durch seine
CHARTA VON ATHEN den Sozialmietern der Nachkriegszeit
viel sichtbetongraues Wohn-Leid verursacht.
Auf diesen Hügel hier aber hat der Agnostiker einen Licht-Traum
hingestellt, der mich, den Agnostiker entzückt.

Ronchamp in den Südvogesen
20.5.02
Île d'Oléron, Sonnenuntergang.
Während Irmtraud
den Strand hinauf und hinunter joggt
zeichne ich diese Sandburg, bevor die nächste Flut
das Kunstwerk für immer fort spült.

Vert bois, 2.6.02
Lawrence Sterne
einer meiner Lieblings-Schreib-Gevattern.
Der Erzkönig der Abschweifungen, Interjektionen, der Cäsar des
"Was ich aber eigentlich noch sagen wollte/ ich schwimme schon
wieder vom 100sten ins 1000ste"
portätiert von Joseph Nollekens ( Büste ) und Josua Reynolds.
Die Briten ehren ihn, aber seinen deutschen Erbprinzen Albert
Vigoleis Thelen ( 1903-1989 ) und seine
INSEL DES ZWEITEN GESICHTS kennt niemand.
London, National Gallery, 23.5.12
Nochmal ein Fang aus dem
Café du commerce , 2.6.10
Der Mittelalter-Bursche, der auf schwarze ( ! ) Blätter zeichnet,
war nur einmal da. Die energische Blondierte jeden Tag.
Und jeden Tag las sie, Inbild einer pensionierten Lehrerin,
ihre LIBERATION, ein links-anarchistisches Blatt, aus dem sie ihren
grauköpfigen Freundinnen unerbittlich vor-dozierte.
Bon Courage, Madame !
Florenz,
Piazza S.Felicità
7.4.07

Der Vasari-Gang ( gelb ) schlingert sich als Flucht-Flur, der zu gewärtigenden Volksaufstände wegen von der Stadtburg der Medici, dem Palazzo Vecchio, über den Arno bis zum Palazzo Pitti extra muros. Bei S. Felicità windet er sich sogar durch die Empore einer Kirche, in der die wundersamsten Fresken des PONTORMO zu bestaunen sind.

Ich war noch nie im Vasari-Gang, aber er ist mir vertraut aus Roberto Rossellinis PAISÀ wie mir das Wartezimmer des Philip Marlowe vertraut ist aus Howard Hawks' THE BIG SLEEP.
Staubige, drangvolle Sehnsuchtsorte, verriegelt. Aber der Riegel der Fantasie ist offen.
Italien, das Land der Bambini,
lebenslang Un-Erwachsenen :
die Italiener, ein infantiles Volk laut
Indro Montanelli, einem konservativen Publizisten,
auf den dafür prompt die brigade rosse
ein kindisches Attentat verübten . Wo sind die
Attentäter wohl heute, bei der Lega nord oder bei
dem infantillisimo Pepe Grillo ?

Bergamo, mitten in der Ära Berlusconi
28.8.10
NÄCHTLICHES TREIBEN
IN DEN VATIKANISCHEN GÄRTEN
Hinterglasbild von 1997, als ich in Murnau Hauserbe wurde und mich der Hinterglasmalerei hingab. Freilich, dem Kult der damaligen Heiligen wollt ich mich nicht aussetzen. So kam es halt, dass die Frau des Eschenloher Spediteur Wittwer ausrief :"Mei liaber, Sie traun si was !"

"Da lies, Mama !"
"Da lies, Bub !"
Andere Bildhauer seiner Zeit stellen das Motiv ANNASELBDRITT als übereinander gestaffelte hieratische Dreierkomposition ANNA-MARIA-JESUSKIND dar.Der Landshuter Hans Leinberger aber als dramatischen Austausch zweier neugieriger junger Leser.( Mutter Maria ist hier keine 15 Jahre alt )
"Lies Bub / lies Mama, was die Reformatoren da schreiben !"

Bayrisches Nationalmuseum, 8.2.09
Der Orden von Toledo
war ein Geheimbund der spanischen Surrealisten,
um Luis Bunuel , der hier auch seine düstere TRISTANA
spielen ließ, in der düsteren Stadt in der El Greco gemalt hat,
düsternd vom Düstersten der Inquisition und des Bürgerkriegs.

Und heute lutschen hier die Touristen ihr Sahne-Eis
wie in Dinkelsbühl oder vor dem Taj Mahal,
und kein Einwohner ist zu sehen.
Auch kein Geschäft, in dem man Milch, Brötchen,
Gemüse oder auch nur einen Radiergummi bekäme : in
allen Auslagen stehen nur Ritterrüstungen, Ritterrüstungen,
Ritterrüstungen, Ritterrüstungen.
Lebensgroß.
Aber keiner von den Lutschern legt eine an.
Trotzdem liegt auf allen der Rost, der die Stadt überrieselt.
Das nun doch wieder wie bei Bunuel.
2.11.02
Venedig, Biennale, 9.11.05

Pulicinella traut sich nicht
in den faschistischen deutschen Pavillon
( strategisch auf die höchste Erhebung
der Insel geklotzt ).

Zu unrecht :
drinnen hätten ihn drei
ältlich-dickliche AufseherInnen tänzerisch
mehrfach umkreist und dabei verzückt gerufen
WE ARE SOOOO CONTEMPORARY !
Um dann plötzlich zu erstarren.
Auf einem Bein.

Arte nuova tedesca !
Attenzione, Voyeure !
Weit aufsperren die Ohren !
Schnuppert, schnüffelt, lauscht
an allen Türen und lasst kein Schlüsselloch aus !
Eure Ausbeute dann in diesen
besonderen Briefkasten, das Maul der Inquisition -
ein zukunftsweisendes STASI-Denkmal,
immer noch speckig nach 213 Jahren
von den vielen schwitzigen Spitzelpfoten.

( Lass dir nicht die Finger abbeißen, Nauke,
obwohl ichs dir gönne )

Venedig Museo Correr 31.10.10
Louvre 23.4.04
Die Meute der Voyeure hetzt die Treppe hoch,
selfit sich vor der Nike von Samothrake, dann wird rechts
in den Flur gehetzt, achtlos vorbei an den spannendsten Werken
von Rosso Fiorentino und Pontormo, der Schritt beschleunigt sich zum Gerenne, alle schwenken wie auf Kommando wieder nach rechts,
achten nicht auf die Felsgrottenmadonna von Leonardo da Vinci rechts, nicht auf den wandfüllenden Veronese links,die Meute reißt ihre Kameras über ihre Köpfe...

Es wird nichts drin sein vor lauter Gewühl, nur die hochgerissenen
Kameras. Allenfalls bei den allervordersten Voyeuren eine Postbeamtin
in einem Schaltergehäuse, hinter Panzerglas, unbeteiligt-langweilig lächelnd.
"Du meinst doch nicht etwa Mona Lisa, das eindrucksvollste Porträt
aller Zeiten !?!?!?!"

Mir sind Arcimboldos Porträts lieber. Oder die von Francis Bacon.



GUTEN TAG
WER SIND SIE DENN ?
Hinterglasbild

Oktoberfest München,
eine Woche vor der Eröffnung

"Beißt die Frau den Geist, sag Mama ?"
fragt ein Kind hinter mir
während ich zeichne.
"Nein", sagt die Mama,
"eher umgekehrt".

15.9.02
"Heut fährt der Gott auf einem Floße,
Er sitzt auf Schilf und Rohr,
Und spielt die sanfte, abendliche, große
und spielt die Welt sich vor".

Eines meiner Lieblingsgedichte, als ich 18
war, von Oskar Loerke. Jahre später begegnete ich
dem Gott der Welt PAN persönlich
im Parque Nacional de Garajonay
der aus lauter Lorbeerbäumen besteht
auf La Gomera am 14.5.08

TANZLIESEL
Hinterglasbild
Weingarten, 7.6.09

Der Agnostiker ist berauscht
von der Raumfantasie dieser Basilika von 1724,
die das "schwäbische St.Peter" genannt wird - St. Pietro
in Vaticano indessen war eine propagandistische
Protz- und Imponier-Architektur -
hier im Oberschwäbischen, umgeben von selbstbewussten
Protestanten, 200 Jahre später,
geht den katholischen Theologen der Schnauferer aus
und sie überlassen den Künstlern das Wort.
Das letzte Wort der katholischen Kirche. Sie verabschiedet
sich mit Kunst.
Der Agnostiker genießt ( und notiert sich ) die reine, nun
von allem Schamanismus befreite Form.

St.Pierre 15.6.07
Ihr wisst ja, Freunde : das Café du commerce -
Das beste Licht für
die Beobachtung abzeichnenswürdiger Gesichter.
Wer sich ein solches ( uneitel ) zutraut,
folge mir dorthin.
Saint Pierre d'Oléron rue de la republique 19.
Á bientôt !
Engelstreffen,
Diözesanmuseum Freising 7.6.09

Der Geflügelte links ( Luzifer ) gehört der Fraktion an, die verloren hat ( wie Trotzki ) und die nun der Siegerpartei
( vergoldet, rechts ) immer und ewig die Fackel halten muss und je nach Belieben der Siegerpartei erniedrigend hässlich dargestellt werden darf - wie Sokrates, Margarete Maultasch, Richard III., oder Thomas Münzer.






Florenz Palazzo Pitti
2.11.03
Damit wären wir also wieder beim Thema
Besucher.
Betrachter.
Zuschauer.
Beobachter.
Konsumenten.
VOYEURE ! Und ICH bin der Voyeur der Voyeure.
Indes : der Voyeurismus ist in mir aufgehoben,
denn ich bringe die anderen Voyeure
mit dem Zeichenstift zu Papier.
Während die anderen, die von mir Gezeichneten, aufstehen
und von hinnen gehen. Und sich morgen schon nicht
mehr erinnern was sie betrachtet haben.
Sollen wir die Probe machen ?
Meldet euch zu Wort, Voyeure !
Widerlegt mich !
Haus der Kunst München 9.10.05


"Lass uns fliehen, Liebste.
Irgend wo hin, wo unser keiner kennt.
Zum Beispiel in den mittleren Schwarzwald.
Und die Kinder schicken wir
dann auf die Waldorfschule."


SANTA AGATA
Hinterglasbild
Prag Obecni dum
30.10.07
Der Prager Jugendstil : wie ein Atemholen und Kräftesammeln für den Ausbruch von kreativem Optimismus der tschechischen Künste ( aller ! Von Janácek und Martinu bis zu den Bildhauern, Malern, Designern )
nach Gründung der selbständigen Republik CSR In der es, als einzigem Land in Europa, keine faschistische
Massenbewegung gab -
no, abgesehn von der sudetendeitschen. Deren tiefbraunste Exemplare in den 50er Jahren
meine LehrerInnen waren.
"Odradek !"
rufe ich in Prag
immer wieder in verschachtelte Hinterhöfe hinein,
wissend dass er in einem davon hausen muss.
"Odradek !"
lockend, aber gedämpft. Denn ich habe ja bei Franz K. gelesen,
wie fragil er ist :
"lange stumm, wie das Holz,
aus dem er zu sein scheint...
sollte er einstmals etwa noch vor den Füßen meiner Kinder
und Kindeskinder mit nachschleifendem Zwirnsfaden
die Treppe hinunterkollern ?"

SONNENUNTERGANG
MIT WALLFAHRT
Hinterglasbild

île d'Oléron
Strand von la Gautrelle 3.7.09
Ich liege im warmen Sand
und lese PNIN von Wladimir Nabokov
abwechselnd mit Franz Kafkas AMERIKA.
An der Küste gegenüber, wie hingetupft als weiße Linie
von Raoul Dufy : La Rochelle.


Schackgalerie München 5.5. 2016

Was mir hier mit 15 imponiert hat : nur noch muffig & schimmlig. Ich zeichne das einzige spannende Motiv des Hauses : der Teufel muss dem Sankt Wolfgang beim Kirchenbau zur Hand gehen ( Moritz von Schwind ). Dabei spricht mich teilnahmsvoll ein Herr an : warum ich mir die Mühe machte, das da abzuzeichnen. Fotografieren sei doch viel bequemer.
Schon wieder das Thema der mit Blindheit geschlagenen Voyeure.
Nun digital.
Elfriede D. ( 34 ) Sprechstundenhilfe Bad Zwischenahn :
"Nach jedem Mal mit meinem Engel
gelingt es mir mühelos, im Fluge
eine Höhe von bis zu 1.30 zu erreichen
und so minutenlang
ekstatisch zu verharren, obwohl ich mit meinen 78 Kilo
zu derlei nicht unmittelbar prädestiniert bin."



NACH DEM LETZTEN KONZIL
Hinterglasbild
Melchior streift sich die
Krone vom Kopf und Joseph, der
Gastgeber, muss derweil um die Ecke sitzen.
Gislebertus zeigt uns drastisch
wie er sich mopst :
"Puh, diese Staatsbesuche !"
Bei der Flucht nach Ägypten ( Matthäus 2,14 )
darf er sich dann wieder nützlich machen und,
Weib und Kind auf dem Esel hinter sich her ziehend,
mit lautem Geschrei die lauernden Untiere verscheuchen.
Autun, 16.7.08

Als sei sie selbst die Schlange,
kriecht die Eva des P. Gislebertus durch
den Dschungel des Garten Eden und rupft ( lässig nebenbei,
weil sie es laut Bibel halt muss ) den unheilberühmten Apfel ab.
Dabei gehört sie selbst zu dieser Dschungelwelt,
erzählt Pater Gislebertus ( GISLEBERTUS FECIT ) ,
der einzigartige Psychologe und Geschichtenerzähler
hier als Steinmetz am tombeau des Lazarus.
Der durch Jesus auferweckt ward
von den Toten ( Joh.11, "Herr/er stinkt schon/denn
er ist viertägig") , übers Meer hierher geirrt kam,
wo seine Schwester Magdalena 40 Jahre lang büßte,
und er schließlich allererster Bischof von Autun wurde.
Und wer war
der allerletzte Bischof von Autun ?
Charles Maurice Talleyrand de Perigord, der
beim Wiener Kongress 1815
das geschlagene Frankreich seines Intimfeindes Napoleon
als mit allen Wassern gewaschener Diplomat
vor der gebührend anstehenden Demütigung
bewahrte.

Kommt zu mir nach Autun !
Dann erzähl ich weiter,
gerade denen die nichts von Geschichte
hören wollen
gerade an diesem Ort an dem so viel Geschichte versammelt ist -
mit Behagen gerade
das Widersprüchlichste & Disparateste,
gerade das was nicht zusammenpassen will.
Hier in Augustodunum passt es zusammen.

Hier in Augustodunum sind
1000 Jahre wie ein Tag.
Und wir spazieren an der noch immer quicklebendig einher
strömenden Wasserleitung der Römer,
der Stadtgründer entlang,
die hinter der Kelten-Pyramide
von einem der schönsten Wasserfälle abgezapft wird,
den ich kenne.

Ausgemacht ?
30.7.09
Café du commerce St.Pierre : ein letztes Mal zurück zu einem unserer
Lieblingsorte - aber nur, um schlussendlich über die all-all-alltägliche
Marterqual des heimlichen Zeichners zu wehklagen : nicht dass eine der
konterfeiten Personen sein Konterfei entdeckt und sich beschwert
ist der worst case. Der ist noch nie eingetreten.Sondern dass ein Modell aufsteht, über das der Zeichner sich gefreut hat - das tritt andauernd ein. Oder ein Plumpsack sich davor setzt oder er entfaltet eine Zeitung oder...
NIE FINDE ICH AUF MEINEM BLATT WIEDER
WAS ICH EIGENTLICH ZEICHNEN WOLLTE.
Spät erst, 2002, wurde ich zum Zeichner.
( Hier im Schlafzimmerspiegel
des Hotels Wittelsbach Berchtesgaden 2.11.11.)
Am Largo Argentino in Rom kaufte ich mir in einem Museumsshop
ein Skizzenbuch ( mit Ringheftung ) weil es so schmiegsam in der Hand lag, ein angenehmes Format ( 16 x 20,5 ) und zuverlässig feste Seiten hatte. Aber was wollte ich eigentlich zeichnen ? Ich wusste es selbst nicht. Noch nicht. Und begab mich mit dem Drehbleistift
auf die Suche...



Nach 17 Jahren weiß ich es immer noch nicht.
Motive auf Vorrat lagern, um sie in Ölbilder zu verwandeln ? Nicht ein einziges Mal habe ich mich bei einem meiner Ölbilder
aus dem Skizzenbuch bedient. Skizzen schnell aufs Papier werfen heißt vielmehr : sich einen optischen Moment ( Personen, Szenen, Vorgänge ) ganz und gar persönlich zu eigen machen. Subjektiver als mit der Kamera, und was wäre subjektiver als eine Kamera ? Und was objektiver als die Wahrnehmungen des eigenen Zeichenstiftes ?


Bourbon d'Archambault, Dept.Alliers/Région Rhônes-Alpes 5.6.09
Wieder einmal steht neben mir mein Vater /
Im feldgrauen Rock der Mörder, diesmal /
mit dem Zeichenblock in der Hand : /
„Mit dem Stift in der Hand hab ich /
Mir Frankreich erobert, mein Frankreich,/
statt, wie mir befohlen, mit dem Karabiner.“

Ich setz, Vater, die Eroberung fort, die /
Du für mich begonnen./
„Und zeichnest“, sagt er, sein Gerührtsein /
verbergend, „die Schatten falsch rum dabei“./
Verzeih, sag ich, ich geb mir weniger Mühe, /
ich muss was ich zeichne nicht mit der /
Feldpost verschicken an meinen Sohn./

Damit es ihn erfreut. Bis zum heutigen Tag./
Er schweigt. Wir zeichnen beide das selbe Motiv.


Autun 17.5.11