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Damit das Murnauer Moos nicht ausläuft, hat die Geografie eine Barriere aus Schotter aufgehäuft, die Wissenschaft nennt das „Moränenhügel“, und ganz oben drauf, wenn man grade mit hängender Zunge von Hechendorf her aufgestiegen ist, wenn man nun endlich rastet und verschnauft, steht da ein Wirtshaus .
Eben der Beinhofer.
Wie eben just in diesem Moment, als ein Krieger geschritten kam. Einer in geschmiedetem Eisen, jedenfalls oben herum, während er statt einer Hose einen Rock aus Lederriemen trug.
„Des muass a Fremder sei“, erkannte da der Michl Willy, Inhaber des Beinhofers und fragte gleich : „Mägn Sie a
Quartel ?“
Und es war in der Tat ein Fremder, Tullius Jucundus Spirio von der achten kappadokischen Kohorte. Ein Kämpe in allen Schlachten in Syrien, Mesopotamien und Gallien. Und überall ! Und was war der Dank des Kaisers ? Man kommandierte ihn ausgerechnet hierher nach Germanien, wo er als Straßenpfleger kaiserlichen Dienst machen soll.
Eben beim Beinhofer. Wo der Willy Michl die Anhöhe beherrscht mit seinen Quartln.
„Wie weit ist es noch nach Augusta Vindelicorum, ich meine nach Augsburg ?“
„Unsereiner kimmt gar net erst bis Weilheim. MögenS jetzt endli a Quartel ?“
A Quartl war ein Viertelliter Bier, wie ihn auch auch beim Großvater ( 1875 bis 1949 ) lebenslang verzehrte.
„Prost also nacha“ sagte der Michl.
„O miraculum“ entfuhr es Tullius, dem Siegreichen, und er verschluckte sich. „Nach Valpolicella schmeckt das ja gar nicht.“
„Bei uns musst di an alles mögliche gewöhnen“ brummte der Michl „Beispielsweise an das Gewürm, das bei uns umanander krabbelt.“
„Hallo hoh“ zirpte da das feiste Etwas, das dem Jucundus dem Siegreichen die siegreichen Knie leckte.
„Ich gebe zwar Murnau das Motiv für sein Wappen“ zirpte der Drache „aber sonst bin ich friedlich. Ich mag, im Gegensatz zu unserem Herbergsvater Michl Willy kein Kalbfleisch. Sondern verzehre mich vegetarisch nach italienischem Salat und Olive in Minzenöl“.
„Minzenöl, Minzenöl“ tönte aus aus der Weide, aus der nun eine weitere Gestalt herab sprang.
„Ich höre was von meiner Spezial-Apotheke raunen“ schnatterte es da. „Ich bin nämlich Sheila O`Osigo und Druidin und habe schon dreimal die ganzen Einwohnerschaft um den Beinhofer herum in Spitzwegerich verwandelt.“
Michl Willy stöhnte an dieser Stelle leidvoll und goss sich noch ein Quartl ein.
„Und als sie wieder zu sich kamen und grantig meckerten, wie es unter den Ureinwohner nun mal so Brauch ist, hab ich sie in Eichhörnchen verwandelt, und sie mussten mir drei Monate lang Nüsschen sammeln, von denen ich immer noch welche übrig habe...“
Und sie steckte Jucundus dem Siegreichen Nüsschen zwischen die kiriegerischen Lippen.
„Eia, man sitzt ja wie auf caracolanischen Marmor hier!“ rief Sheila, die Druidin, die
sich beherzt auf das Knie des siegreichen Jucundus nieder liess.
Und wieviel Kriegerwunden stecken in des Tullius siegreichen Beinen ! Die Pfeile der Kapadoken hatte er nunmehr erwähnt - „hier in der Kniekehle“, und das asiatische Schlangengift von den Speeren der sarmatischen Kavallerie ! Ehe er freilich auch die Blessuren an den Waden erklären konnte, ertönte ein Hupen von der Straße herauf und ein langer roter Sechzehnzylinder parkte vor dem Beinhofer.
Das ist“ hauchte Sheila dem siegreichen Jucundus ins Ohr, „das ist der Komponist Richard Strauß aus Garmisch.
„Siebenmal hams de Kurven geschnitten den Berg vo Hechendorf herauf“ schnauzte der Willy Michl.“Macht insgesamt sieben Quartl.“ Und der Komponist ließ sich froh nieder und genoss den weiten Blick auf den Heimgarten. ( Murnauer Hausberg, 1790 Meter )
A propos Kurven.„Wir haben hier einen neuen Wegemeister“ warf der Drache ein, der durch den Auftritt eines Neuen schon wieder in den Hintergrund gedrängt war. Eitel, wie Drachen halt mal so sind.
„Ah da schau her“ nahm Richard Strauß den Einwurf auf, froh dass er nicht auf den Drachen eingehen musste, da sein Vorgänger und Namensgeber Richard Wagner allzu sehr diesen Kriechtieren gehuldigt hatte. Doch da erscholl ein spitzer Schrei. „Ah ! Eine Partitur !“ ertönte es aus dem Heuschober heraus, wo Hortensia de Miracoli Quartier bezogen hatte. Die Sängerin und Komödiantin ! Und im Nu stand sie vor Richard Strauß , von Strohhalmen umknistert.
„Ich bin Bühnenkünstlerin !“ hechelte sie und liess eine verführerische Triole hören, um den Komponisten zu animieren :“Ha ha ha ha...“
„Nein, bitte nicht !“ rief da Richard, der Garmischer Autofahrer.“Bei mir daheim singt meine Frau den ganzen Tag – ich brauch eine schöpferische Pause !“ Und so wars in der Tat, er legte eine Partitur für Orchester auf den Wirtshaustisch.
„Eine Alpensinfonie, steht da drüber.“ zirpte der Drache.
„Und in ihr werde ich die Grandiosität und die Gefahren der Alpen beschreiben, im Finale aber auch die glückliche Heimkehr der müden Bergsteiger unter Kuhglockengeläut.“
„Soso“ zirpte da weiter der Drache.“Und dazu genügt Ihnen der biedere Heimgarten. Während Sie da drüben rechts das dramatische Gezack des Wetterstein ignorieren. Wo immerhin der Gipfel, die Zugspitze, 2962 Meter auftragt.“
„Schon schon“, erwiderte Strauß, „aber auf diese Höhe bringe ich doch meine Gattin nie und nimmer hinauf.“
„Das Publikum wird über den Heimgarten grinsen“ hämte der Drache, „ bei nur 1790 Metern.“
Nun stürmten aus dem Heu heraus,in dem Hortensia genächtigt hatte, ihre Kinder heraus erfüllten den Beinhhofer mit lautem Stimmgewirr, und Richard Strauß beschloss, in seine letzte Sinfonie auch noch einen Kinderchor einzubauen. Bei bloß 1790 Metern.
„So sind und bleiben Sie“ zirpte der Drache„eben ein mittlerer Tonsetzer mit Ihren bloss 1790 Metern. Der Klangzauberer Richard Wagner dagegen…“
Und zirpte selbstbewusst Richard Strauß das Drachen-Motiv aus dem „Ring des Nibelungen“ ins Ohr.
Als die Sängerin Hortensia de Miraculi, die sich doch innigst nach einer Arie des Richard Strauß sehnte, eben den Meister Richard Strauß so zersetzend lästern hörte, ergriff sie selbst das Wort und sprach zum Drachen :“Ei, schaun Sie doch sich mal selber an !“
Alle, Jucundus, die Druidin, Strauß und sogar der Michl Willy fassten den Drachen ins Auge.
„Was“, ereiferte sich Hortensia weiter, „wenn der Herr Strauß grade Sie als Modell ausgewählt hätte für seine Alpensinfonie, statt nur den biederen Heimgarten ?“
Ein lebhaftes Staunen aller Anwesenden war zu vernehmen, ein oh ! des Jucundus des Siegreichen, ein Aufstöhnen der Druidin, und Richard Strauß bestellte beim Michl Willy noch ein Quartl.
„ Ihr Haarausfall könnte zu Alpenwiesen werden“ flötete Hortensia, „auf denen Kühe grasen. Ihr Achselschweiß könnte sich in Gewitterwolken verwandeln. Ihre hervorstehenden Knochen könnten zu Felswänden werden, überhängend und bedrohlich, in denen sich Alpinisten abstrampeln. Und ihre Triefaugen zu Wasserfällen, ihr Maul zum Tunnel und das mannigfache Ungeziefer, das sich auf ihnen herum treibt, würden durch Richard Strauß zu Wildschweinen. Und das in s-dur !“
„Hia, Wildschweine ! “ frohlockten die Kinder der Hortensia und bestiegen begeistert den Drachen.
„Und ihr langer Schwanz könnte als Gipfel dienen, auf denen die Gemsen herum klettern !“
„Das kitzelt, das kitzelt !“ rief der Drache und zuckte mit seinem Schwanz, an dem statt
der Gemsen sich nun Hortensias Kinder voran hangelten.
Und er entsann sich, dass er doch Flügel hatte und setzte die in Schwingung, um den Kindern zu entkommen. Vielmehr, er hatte genau besehen nur zwei, recht stummelige Flügelchen, viel zu schmächtig für acht oder zehn Kinder. So dass es bei einem schlaffen Aufwärts blieb und er in der Krone des Kastanienbaums hängen blieb. Der Kastanienbaum entlaubte sich, die Kinder entlaubten sich mit ihm, sie stürzen nieder und auf die Gäste. Und drei oder vier auch auf die Motorhaube des langen Autos von Richard Strauß Autos, der verschreckt das Weite suchte. Und beschloss, in seinen Alpensinfonie doch lieber keinen Kinderchor ein zu bauen.
Und just in diesem Augenblick radelte aus dem Norden, einer Windrichtung aus der sonst nichts Gutes kommt, eine resche Maid einher.
„Was ist das für eine naturbelassene Idylle !“ rief sie aus, hüpfte vom Rade, stellte ihre Leinwand auf und begann die Druidin, die Sängerin und Jucundus zu porträtieren. Und den Willy Michl !
„Ich bin eigentlich auf der Suche nach dem Doktor Kandinsky„ schnatterte das junge Ding , „der hier in der Gegend umgehen soll. Ich erhoffe mir von ihm eine Unterweisung, wie man den Himmel grün malt und die Wolken lila.“Uns
Und der Drache bekam von ihr, da dem Malermädchen niedlich den Ausschnitt leckte, ritschratsch links und rechts ein paar rote Backen ins grüne Gesicht gemalt.
„Und wie seh ich jetzt aus ?“fragte der rot Bemalte.
„Zum Abküssen“ lachte das Malermädchen und versetzte ihm einen sinnlichen Malerinnen-Schmatz.
„Aber“ quengelte der Drache „.Meister Strauß will mich dennoch nicht als Modell für die Alpensinfonie nehmen !“
„Aber die Alpen sind doch so weit hinten !“ lachte das Malermädchen „Dafür ist das Murnauer Moos ist gleich da unter uns !“
Und schwang sich auf den Rücken des Drachen. Und stieß ihm ihre Stöckelschuhe in die Seiten flog mit ihm hinunter ins Murnauer Moos.
Und es haben sie Storchenpaare und Enten aufs wundersamste begleitet. Der Drache musste über Wanderern kreisen, die viele viele Selfies aufnahmen. Aber dann hat, im Schatten einiger Strahdrischn, das Malermädchen unversehens den Meister erblickt.
Wassilj Kandinsky ! Im Strohhut und in oberbayrischer Volkstracht.
Der Doktor, ganz Moskowiter Volljurist, küsste dem Mädchen die Hand und bat darum, die Malerliesel möge auch ihm dieselben roten Backen ins Gesicht malen, wie vordem dem Drachen.
Hinter den Strahdrischn stoben nun Malermädchen hervor, - was heißt Mädchen, es waren alle erklecklich beleibte Damen, Mütter, ja sogar Großmütter, die sich gegenseitig mit roten Bäckchen verzierten. Und niemand achtete mehr unseres Drachens, dem verzweifelte Tränen in das Rot der Wangen rannen und, Tröpfchen um Tröpfchen, im Grün des Panzers verstickerten. Und unser arme Drache kroch ungetröstet davon. Und hundeelend den Hechendorfer Berg herauf.
„Grüass di God, Drachen !“ rief der Willy Michl sogleich.“Magsd jetz a Quartl ?“
Und nach dem zehnten oder neunzehnten Quartl fing der an zu tanzen. Aus lauter Schmerz. Und ab dem fünfundzwanzigsten Quartl drang Gesang aus seiner Kehle, und Hortensias Kinder hatte ihren Drachenschwanz wieder . Nun war es schon Schmerzfreunde, Und da nach dem 55. Quarl war schon Schmerzlust.
Nun bringt, allen Wirten sei’s gesagt, ein quarlbeschwipster Drache der Umwelt viel Beschwer. Grüne Schuppen regnen herab, der umher sausende Schwanz entlaubt die Bäume und deckt die Dächer der Nachbarhäuser ab.
„Halt an !“ rief darum Hortensia „hoch den Schwanz bei dir !“ und des Drachen Schwanz war zwar noch wackekig, aber er stand in die Höhe. Und Hortensia kletterte daran hinauf, verknotete ein Seil an der Spitze des Drachenschwanzes und warf das andere Ende Jucundus dem Siegreichen zu.
„Schnell, auf den Kastanienbaum damit !“
Und Hortensia warf sich auf das Seil und vollführte da oben eine Pirouette, und ihre Kinder hingen an der Balacierstange, die einen links und die anderen rechts und alle schmissen die Beine kreuz und quer, so dass sogar der Michl Willy seine Quartlkrüge abstellte und mächtig in die Bratzn klatschte.
Und die Kinderschar ließ sich immer wieder hinab fallen mit hui hui, wurde aber immer wieder von den angedudelten Gästen ( Quart Quartl ) wieder hinauf geschmissen und fand an der Stange Halt oder auch nicht, fiel ins Laub oder auch nicht. Und alle Quartlgäste und Anhimmler schieben den Kopf ins Genick. Und staunten hinauf zu Hortensia mit offenen Mäulern, aus denen der Quartlschaum tröpfelte,
Seit Jahrzehnten ist sie durch die Lande gezogen, als jüngstes und dann, mit den Jahren als leicht alterndes Talent : als Garderobenhilfe, Requisiterin, Kartenabreißerin, Abwaschhilfe - und wie selten als Sängerin ! Überall hat man ihr die großen Partien weggeschnappt, und immer wieder ist Hortensia von einem Theaterdirektor oder Hilfs-Kulissenschieber ins Bett gezogen worden. Während der Theatermensch seiner Lust oblag, hat sie die nächste Partie auswendig gelernt : "der Hölle Rache kocht in meinem Herzen" oder "Abscheulicher, wo eilst du hin" und Kind reihte sich an Kind, Absage an Absage, und nun da sie hier triumphieren darf, im Wirtsgarten, hoch auf dem Seil,soll man da nicht verzückt sein ?
Und auch den Drachen lächeln die künstlerische Zukunft an : wenn er nun demnächst mit Hortensia zwischen seinen, des Drachen, gewaltig gereckten Zähnen vors Publikum träte, Hortensia als Fee kostümiert oder auch als Flammenmädchen ? Wenn sie sich auf seiner Nase räkelte, in angedeuteten SChleierchen ? Auf seinen, des Drachen mannigfachen Warzen und Höckern herumtänzelte, Schönheit und Kraft, hier weiblicher Liebreiz und dort urtümliche Gewalt ?
Beispielsweise in Landshut, wo Hortensia zwar keine Rolle bekommen hat, aber ihr ein Kind angehängt wurde mit abstehenden Ohren, ganz der Papa ( der dort Souffleur war, sich aber Kapellmeister ausgab ) . Und wie sie nun, im Staatstheater Hannover ( nie eine Rolle ) mitten in der Ouvertüre einbrächen, Hortensia auf des Drachen Nasenspitze und die Sänger von der Bühne fegten. Wo ausgerechnet "Aida" Premiere hätte. Oder in die Karl-May-Openair-Festspiele zu Bad Segeberg ( nie eine Rolle ) aus der Höhle herauskröchen, diesmal Feuer speiend, mit Hortensia auf seiner Klaue als tätowierte Squaw ?
Doch da : ein spitzer Schrei !
Dem Drachen wurde zuviel zugetraut. Vorsicht an alle im Publikum, die in ihrem Vorgarten ein solches Haustier halten. Nie und nimmer sollten sie ( die Drachen ) nämlich gezwungen werden, ihren Schwanz hoch zu stemmen und darauf eine beleibte Künstlerin tanzen zu lassen !
Hortensia ist vom Seil gerutscht, direkt Jucundus Spirio auf den Panzer - o Quartl, o Tristesse. Schon wieder ein Debakel heute. Hurtig jetzt die Kinder gepackt und auf und davon ! Doch da wagt sich, nachdem es von Hechedorf her aufgestiegen ist, ein Malermädchen, vielmehr eine Mal-Matrone an Hortensia heran :"Ob Sie mir wohl beibringen könnten, so auf dem Seile zu tänzeln ? Mit einer Arie in der Kehle ?"
O neue Hoffnung, o frisches Quartl ! Zuversicht strahlt auf alle aus, aber ich komme ja gar nicht dazu, das alles gleichzeitig zu erzählen, so sehr geht alles durcheinander beim Beinhofer. Denn soeben ist ein Missionar eingetroffen. Ein Missionar ist einer, der einem die Religion beibringen soll, in diesem Falle ist die christliche. Und der, der Missionar, trifft ausgerechnet auf keltische Ureinwohner. Kelten siedeln ja seit eh und je hier, lange bevor die Germanen sich blicken ließen.
Kurzum , die Druidin ( weiblich ) trift auf den Msiionär ( männlich). "Pater Magnus O`Higginss" stellt er sich vor. Religiiös verschüchtert.
"Und sie, keltisch spitz :"Magst du an Hasch ?"
Er, noch mehr religiös verschüchter :"Ein Heiliger dieses Namen ist mir nicht bekannt."
Und sie, vielversprechend lächelnd :"Du solltest ihn kennen lernen. Du wirst mit mir zusammen eine Cannabis-Plantage anlegen."
Nächstes Morgen, und belebter Sonnenschein fällt durch das Gezweig des Wirtshausbäume.
„Sind Sie Schriftsteller ?“
Da spricht ein neu Aufgetretener zum Willy Michl. Einer mit einer ganz dünnen Stimme.
„Sind Sie nu ein Schriftsteller, ja oder nein ?“
Das wurde der Michel Willy noch nie gefragt. Und der Michl Willy schaut um sich um nach dem, der sowas wissen will. Aber es ist niemand zu sehen. „Des muass a Gspenst gwesen sei“, denkt der Willy, soweit der Willy überhaupt denken kann und schenkt sich – was kann so ein Prackl von Wirt schon anderes tun – ein neues Quartel ein. Eben in den Quartlkrug.
„Ist das ein Kelch ?“ fragt wieder die dünne Stimme.
Diesmal hat der Willy gesehn, woher sie kommt. Aus dem Streusand unter seinem Wirtshaustisch. Der Michl rückt – man weiß ja nie – auf gehörigen Abstand.
„Oder ist das eine Aquamanile ?“
Auch diesen Ausdruck, Wirt hin und Prackl her, hat der Willy noch nie gehört.
„Und wer bistn nacha du ?“
Soll das Gespenst doch selber zugeben, dass es ein Gespenst ist.
„Oooooooo, ich habe Schicksalschwangerstes erleiden müssen, großer Mann ! Unehelich gezeugt bin ich in einer Geschwisterehe, meinen Vater habe ich erschlagen, meine Mutter hab ich geheiratet….“
Das Bekenntnis geht in selbstmitleidiges Gesäusel über.
„Iiiiiiih……“ mit langem Gepfeife am Ende, bis es verhallt wie ein Unkenruf.
„A Gspusi zwischen Bruda und Schwester, Vater obgmurgst, Mutter gheirat“ denkt der Willy „Jetzt werds aber fei kriminalistisch“. Kriminalistisches kennt jeder Wirt. Sechs, acht Quartl getrunken, und schon sprudeln die Selbstbezichtigungen.
„Dabei hat das alles doch nur dieser Schriftsteller für mich ausgedacht.“
„Was denn verdammnoamal für a Schriftsteller ?“
„Oder eigentlich nicht einmal der, sondern ein Kollege, den der erste sich auch ausgedacht hat. Und den hat er dann, um alle Spuren zu verwischen, gleich Den Geist der Erzählung genannt.“
Der mit der dünnen Stimme klettert die Eisenstreben des Stuhles hoch, und sitzt
schwuppdich vor dem Willy Michl. Winzig und mausgrau.
„Der hat mir gesagt, ich meine der Geist der Erzählung hat das gesagt, ich muss unbedingt nach Rom“ klagt die dünne Stimme.
Wieder der Unkenruf. „Und deswegen bin ich auf der Flucht.“
„Nach Rom hört ich da ?“ erschallt auf einmal Jucundus des Siegreichen Stimme.
“Ich bin nämlich auch aus Rom !“ Und steht stramm da in seiner Rüstung der achten kappadokischen Kohorte, in geschmiedetem Eisen und dem Helm mit rotem Kamm obendrauf. Alles in allem ein Kriegsmann zum Fürchten.
„Aus Rom !!!!“ fiept der Mausgraue. „Und da soll ich hin !“
Und weg ist er. So groß wie eine Maus und ebenso flink. Er flieht und flieht, bis in ein Beet voller spitzer grüner Blätter, sein Herz macht rummbodibumm. Und eine sanfte Hand einer Dame streichelt ihn : Sheila O’Osigo. Die Druidin. Mit gespitzten Lippen.
„Bist du aber ein süßer Fratz !“
Und steckt ihm eines der langen langen grünen Blätter ins Mäulchen. Und noch eines. Und noch eines, und die Blätter werden auf seiner Zunge zu einem berauschenden grünen Gefunkel, zu einer süßen Götterspeise.
„Das ist nämlich unsere Canabis-Plantage !“ lächelt sie, und küsst ihm den Cannabissaft von den Lippen. Und der neue Gast, winzig wie ein Igel, aber glücklich wie ein Goldhamster, schmiegt sich in ihre druidischen Finger.
Und als ihr Gefährte, der Gärtner in der Plantage, hinzu tritt, der Missionar Magnus O`Higgins, lächelt sie :“Wenn wir doch auch endlich so einen süßen Fratz hätten, mein Magnus, zum Eia-Popea-Machen und Durchknuddeln und du, mein Mann Gottes , könntest ihn nach jedem Abstillen durch die Plantage tragen und unter Cannabis-Laub in den Schlummer singen.“
Aber da schreit Jucundus der Siegreiche : „Ad armas ! Alarm ! Der Drache frisst das Cannabis auf !“
Da hört man schon das Knirschen des Drachenmauls, wie seine Kinnbacken genüsslich den teuren indischen Hanf zermahlen, und wie seine Gurgel das Cannabis schmatzend verschlingt.
„Wie stehe ich jetzt bloß da“ klagt Jucundus der Unbesiegbare „als Vertreter des römischen Reiches, wo dieses Monstrum schmatzend mitten auf der Straße liegt ! Auf der Kreuzung zwischen Augusta Vindelicorum und Partanum, und dann kommt der Richard Strauss in seinem langen roten Wagen und hupt und hupt und ereifert sich…“
Und Jucundus der Siegreiche will sich davon stehlen.
„Typisch fürs römische Heer“ bemerkt spitz die Druidin „immer gleich aufm Rückzug.“
Magnus, der Missionar, der einzige Literarische hier, der seine Bibliothek mit schnellem Finger durchsucht hat und nun einen Roman vorweist, ruft stolz :
„Ich habs ! Unser neuer Kleiner ist DER ERWÄHLTE. Hier steht, er ist das Kind von Geschwistern. Heiratet seine Mutter , erschlägt seinen Vater, zum Ende aber wird er erlöst aus seiner Mausegestalt und wird - Papst in Rom.“
Alle schweigen betroffen. „Schreibt Thomas Mann, ein Schriftsteller.“
Und schon ein spitzer Schrei der Druidin : „Aber wo ist denn er selber ?“
Die Druidin hat den winzigen Mausgrauen ins Maul des Drachen gelegt ! Und sich daran erfreut, wie der Kleine auf der Zunge, auf der gewaltigen Zunge so herzig auf und nieder geschaukelt ist.
Heitschi bumm heitschi bumm bumm.
„Aber hast du denn auch“ fragte Jucundus der Siegreiche „zur Sicherheit einen Löffel hinein gespreizt, für den Fall, dass der Drache sein Maul auch mal zu macht ?“
Damit der Erwählte nicht verschlungen wird, und wärs auch nur aus Versehen ? Und die ganze Geschichte, die Thomas Mann zusammen mit dem Geist der Erzählung erdacht hat, hopps geht und der künftige Papst als ein Klümpchen Kot, grün aber sonst nicht mehr erkennbar irgendwo in einer Wiese abgeladen wird ?
Und als ihr Gefährte, der Gärtner in der Plantage, hinzu tritt, der Missionar Magnus O`Higgins, lächelt sie :“Wenn wir doch auch endlich so einen süßen Fratz hätten, mein Magnus, zum Eia-Popea-Machen und Durchknuddeln und du, mein Mann Gottes , könntest ihn nach jedem Abstillen durch die Plantage tragen und unter Cannabis-Laub in den Schlummer singen.“
Aber da schreit Jucundus der Siegreiche : „Ad armas ! Alarm ! Der Drache frisst das Cannabis auf !“
Da hört man schon das Knirschen des Drachenmauls, wie seine Kinnbacken genüsslich den teuren indischen Hanf zermahlen, und wie seine Gurgel das Cannabis schmatzend verschlingt.
„Wie stehe ich jetzt bloß da“ klagt Jucundus der Unbesiegbare „als Vertreter des römischen Reiches, wo dieses Monstrum schmatzend mitten auf der Straße liegt ! Auf der Kreuzung zwischen Augusta Vindelicorum und Partanum, und dann kommt der Richard Strauss in seinem langen roten Wagen und hupt und hupt und ereifert sich…“
Und Jucundus der Siegreiche will sich davon stehlen.
„Typisch fürs römische Heer“ bemerkt spitz die Druidin „immer gleich aufm Rückzug.“
Magnus, der Missionar, der einzige Literarische hier, der seine Bibliothek mit schnellem Finger durchsucht hat und nun einen Roman vorweist, ruft stolz :
„Ich habs ! Unser neuer Kleiner ist DER ERWÄHLTE. Hier steht, er ist das Kind von Geschwistern. Heiratet seine Mutter , erschlägt seinen Vater, zum Ende aber wird er erlöst aus seiner Mausegestalt und wird - Papst in Rom.“
Alle schweigen betroffen. „Schreibt Thomas Mann, ein Schriftsteller.“
Und schon ein spitzer Schrei der Druidin : „Aber wo ist denn er selber ?“
Die Druidin hat den winzigen Mausgrauen ins Maul des Drachen gelegt ! Und sich daran erfreut, wie der Kleine auf der Zunge, auf der gewaltigen Zunge so herzig auf und nieder geschaukelt ist.
Heitschi bumm heitschi bumm bumm.
„Aber hast du denn auch“ fragte Jucundus der Siegreiche „zur Sicherheit einen Löffel hinein gespreizt, für den Fall, dass der Drache sein Maul auch mal zu macht ?“
Damit der Erwählte nicht verschlungen wird, und wärs auch nur aus Versehen ? Und die ganze Geschichte, die Thomas Mann zusammen mit dem Geist der Erzählung erdacht hat, hopps geht und der künftige Papst als ein Klümpchen Kot, grün aber sonst nicht mehr erkennbar irgendwo in einer Wiese abgeladen wird ?
Aber hier, ausgerechnet in diesem Moment der Verzweiflung, gerade hier wird in der Luft ein Gesumme hörbar ( ich habe mich ja eben gerechtfertigt wegen der andauernden Unterbrecherei ) - wird ein ein Gesumme hörbar, das den Umkreis über dem Wirtshaus zum Beinhofer erfüllt. Was sag ich : der Äther dröhnt wieder ! Denn von Norden her gleitet ein Äroplan heran. Was sag ich, ein formidabel glänzendes Luftschiff, ein Zeppelin in Glanz und Grün und mit schimmernden Schuppen .
„Das ist ja unser Drache !“ schreit Jucundus der Siegreiche.
„Und der kann auf einmal richtig fliegen ?“
„Kunststück !“ kreischt die Druidin.“Aufgetankt mit Cannabis, wie der ist, und vollgepumpt mit Hasch !“
In aller Ruhe gleitet der Drache über das ahnungslose Wirtshaus zum Beinhofer.
„Haltet ihn an !“ Die Druidn ist außer sich. “Er hat doch den Papst im Maul !“
Sie vergeht vor Vorwurf, Scham, Verzweiflung. Und selbst wenn diese ach so zärtliche Zunge des Drachens den Kleinen, den künftigen Papst, nicht hinunter geschluckt hat, so ist er nun doch offensichtlich, an Bord des Drachens, auf dem Wege nach -
„Roooooom !!! Holt ihn doch herunter !“
Rom, klingt es da in den Ohren Jucundus des Siegreichen, Rom, die ewige Stadt, wo ich herkomme ? Und sogleich fühlt er das Pfeilgift wieder in den Knien und die
Kriegselefanten im Angriff auf seine Beine, und er ersehnt einen Speer, um das fliegende grüne Biest in den Bauch zu treffen, damit es im Schilfe des Murnauer Moos abstürzt.
Oder wenigstens behutsam bauchlandet.
Nichts von alledem. Der Drache segelt unbeeindruckt über das Moos hinweg nach Süden. Hinein ins Gebirg. Und stellt, kurz vor dem Verschwinden, nochmal den Schwanz hoch.
„Ihm hinterher !“ ruft die Druidin, aber keinem ist nach einer Verfolgungsjagd. Sondern jeder bestellt lieber ein neues Quartl. Auf das Wohl des Erwählten. Den Papst.
“Ruhe !“ ruft da die Druidin, denn weit im Süden ist ein Orchester zu hören. Es rauscht auf, das Wettersteingebirge gebiert Klänge. Streicherklänge zu Anfang, dann Hörner, großer Orchesterklang, accellerando…
“Die Alpensinfonie !“ schreit Hortensia, „Das ist die Partitur, an der Richard Strauss bei uns geschrieben hat, hier an diesem Tisch !“
Sogleich platzt es auch aus Jucundus, dem Siegreichen heraus : „ Und als der Drache vorhin den Schwanz hochstellte, da hab ich tatsächlich gelesen ‚Klassik furioso nur mit den Münchner Philharmonikern !‘“
Die Alpensinfonie steigert sich zum Gewitter, Blitze fahren hinein, Pauken mischen sich ein, den Kinderchor allerdings hat Richard Strauß doch nicht hinein komponiert, in unguter Erinnerung an Hortensias Kinder.
„Aber wo ist nun mein Kleiner, der Papst ?“ klagt die Druidin.
„Wo wird er denn schon sein“ knarrt da der Michl Willy „da hinten liegt er halt.“
Mitten in Eurer grünen Plantasche, und schlaft.“
Und ruht sich aus vom – pardon ! - reichlichen Misten. Vom Cannabismisten. Und gemistet hat unser Drache wie eine ganze Kuhherde. Und ringsum war nun alles grüngrüngrün. Im Nu war der Wirtsgarten voll, dann der Bierkeller, alles grün grün grün, dann war sogar der Dachboden – pardon ! - voll geschissen, die Fremdenzimmer, die Abwässerkanäle, aus dem Gully ist es gesickert und zwar grün, gn, grün, grün,wohin man auch geschaut hat.
Man wagt sich, durch die grüngrünen Kuhfladen, Drachenfladen, zum Maul des Drachen vor.
„Ei, da steckt er doch, unser graues Mäuschen !“
Der Erwählte, der Büßer ! Da iegt Leo der Große, ganz wie Thomas Mann ihn beschrieben hat. „Es ist sehr borstig. Ein Ding, ein Wesen„ wie es im ERWÄHLTEN heißt „eine lebende Creatur, wenig größer als ein Igel. „
Die Druidin atzt ihn erstmal mit - na was wohl - mit Cannabis. Und wie er knabbert, wie es ihm schmeckt, wie seine niedlichen Pfötchen nach mehr verlangen und immer mehr, so dass Hortensias Kinder nicht leer ausgehen wollen und auch Willy Michl nicht und schon gar nicht Jucundus der Siegreiche.
„Aber so allmählich mal muss er doch nach Rom und auf den heiligen Stuhl gesetzt werden !“
Das wird freilich überhört. Nur nicht vorschnell mit einer viel zu großen Karriere kommen, wenn Leo ( der Große ) so entspannt auf dem Schoße des Missionars Siesta hält und alle päpstlichen Viere von sich streckt.
Aber hier, ausgerechnet in diesem Moment der Verzweiflung, gerade hier wird in der Luft ein Gesumme hörbar ( ich habe mich ja eben gerechtfertigt wegen der andauernden Unterbrecherei ) - wird ein ein Gesumme hörbar, das den Umkreis über dem Wirtshaus zum Beinhofer erfüllt. Was sag ich : der Äther dröhnt wieder ! Denn von Norden her gleitet ein Äroplan heran. Was sag ich, ein formidabel glänzendes Luftschiff, ein Zeppelin in Glanz und Grün und mit schimmernden Schuppen .
„Das ist ja unser Drache !“ schreit Jucundus der Siegreiche.
„Und der kann auf einmal richtig fliegen ?“
„Kunststück !“ kreischt die Druidin.“Aufgetankt mit Cannabis, wie der ist, und vollgepumpt mit Hasch !“
In aller Ruhe gleitet der Drache über das ahnungslose Wirtshaus zum Beinhofer.
„Haltet ihn an !“ Die Druidn ist außer sich. “Er hat doch den Papst im Maul !“
Sie vergeht vor Vorwurf, Scham, Verzweiflung. Und selbst wenn diese ach so zärtliche Zunge des Drachens den Kleinen, den künftigen Papst, nicht hinunter geschluckt hat, so ist er nun doch offensichtlich, an Bord des Drachens, auf dem Wege nach -
„Roooooom !!! Holt ihn doch herunter !“
Rom, klingt es da in den Ohren Jucundus des Siegreichen, Rom, die ewige Stadt, wo ich herkomme ? Und sogleich fühlt er das Pfeilgift wieder in den Knien und die
Kriegselefanten im Angriff auf seine Beine, und er ersehnt einen Speer, um das fliegende grüne Biest in den Bauch zu treffen, damit es im Schilfe des Murnauer Moos abstürzt.
Oder wenigstens behutsam bauchlandet.
Nichts von alledem. Der Drache segelt unbeeindruckt über das Moos hinweg nach Süden. Hinein ins Gebirg. Und stellt, kurz vor dem Verschwinden, nochmal den Schwanz hoch.
„Ihm hinterher !“ ruft die Druidin, aber keinem ist nach einer Verfolgungsjagd. Sondern jeder bestellt lieber ein neues Quartl. Auf das Wohl des Erwählten. Den Papst.
“Ruhe !“ ruft da die Druidin, denn weit im Süden ist ein Orchester zu hören. Es rauscht auf, das Wettersteingebirge gebiert Klänge. Streicherklänge zu Anfang, dann Hörner, großer Orchesterklang, accellerando…
“Die Alpensinfonie !“ schreit Hortensia, „Das ist die Partitur, an der Richard Strauss bei uns geschrieben hat, hier an diesem Tisch !“
Sogleich platzt es auch aus Jucundus, dem Siegreichen heraus : „ Und als der Drache vorhin den Schwanz hochstellte, da hab ich tatsächlich gelesen ‚Klassik furioso nur mit den Münchner Philharmonikern !‘“
Die Alpensinfonie steigert sich zum Gewitter, Blitze fahren hinein, Pauken mischen sich ein, den Kinderchor allerdings hat Richard Strauß doch nicht hinein komponiert, in unguter Erinnerung an Hortensias Kinder.
„Aber wo ist nun mein Kleiner, der Papst ?“ klagt die Druidin.
„Wo wird er denn schon sein“ knarrt da der Michl Willy „da hinten liegt er halt.“
Mitten in Eurer grünen Plantasche, und schlaft.“
Und ruht sich aus vom – pardon ! - reichlichen Misten. Vom Cannabismisten. Und gemistet hat unser Drache wie eine ganze Kuhherde. Und ringsum war nun alles grüngrüngrün. Im Nu war der Wirtsgarten voll, dann der Bierkeller, alles grün grün grün, dann war sogar der Dachboden – pardon ! - voll geschissen, die Fremdenzimmer, die Abwässerkanäle, aus dem Gully ist es gesickert und zwar grün, gn, grün, grün,wohin man auch geschaut hat.
Man wagt sich, durch die grüngrünen Kuhfladen, Drachenfladen, zum Maul des Drachen vor.
„Ei, da steckt er doch, unser graues Mäuschen !“
Der Erwählte, der Büßer ! Da iegt Leo der Große, ganz wie Thomas Mann ihn beschrieben hat. „Es ist sehr borstig. Ein Ding, ein Wesen„ wie es im ERWÄHLTEN heißt „eine lebende Creatur, wenig größer als ein Igel. „
Die Druidin atzt ihn erstmal mit - na was wohl - mit Cannabis. Und wie er knabbert, wie es ihm schmeckt, wie seine niedlichen Pfötchen nach mehr verlangen und immer mehr, so dass Hortensias Kinder nicht leer ausgehen wollen und auch Willy Michl nicht und schon gar nicht Jucundus der Siegreiche.
„Aber so allmählich mal muss er doch nach Rom und auf den heiligen Stuhl gesetzt werden !“
Das wird freilich überhört. Nur nicht vorschnell mit einer viel zu großen Karriere kommen, wenn Leo ( der Große ) so entspannt auf dem Schoße des Missionars Siesta hält und alle päpstlichen Viere von sich streckt.
Nächster Morgen. Noch belebendere Sonnenstrahlen.
In ihnen sitzt der Willy Michl mit seiner Kaffemühle und schreffelt die Blätter des Cannbabis zu einem köstlichen Mus. Der Wirtsgarten hat sich beträchtlich gewandelt. Kaum ist ein noch ein einzelner Tisch zu erkennen oder gar die einzelnen Gäste daran, die alle vom Grünen überragt, besprossen, umringelt werden. Überall wachsen Dolden hervor, hoffnungsreiche Trauben von Grün, die Ernte ist reichlich, über-reichlich sogar, und Willy Michl ruft immerzu frohgemut :„Hare rama hare krishna und Prost allerseits !“
Und die Gäste, früher dem gelben Quartl zugetan, schlurfen nun am grünen Gebräu. Während der Drache noch immer in der Cannabis-Plantage träumt.
„Oh was war das für ein wunderschönes Mädchen“ schwärmt er, denn er hat außer sich noch nie einen Drachen gesehn. Und weiß nicht, dass sie, die schwebende Drachin, aus Polyvenylchlorid gegossen war, und da und dort mit Stahlrohr verstärkt. Und die Gelenke mit Gummi ausgekleistert.
In seinem Traum aber, dem grün bemoosten, glänzen ihre Schuppen wie die Südsee,
und ihre Warzen wie Regenwälder bei Sonnenaufgang.
„Und unsere Eier“ flüstert er, „wirst du dann in die Cannabis-Plantage ablegen .“
Aber hier, ausgerechnet in diesem Moment der Verzweiflung, gerade hier wird in der Luft ein Gesumme hörbar ( ich habe mich ja eben gerechtfertigt wegen der andauernden Unterbrecherei ) - wird ein ein Gesumme hörbar, das den Umkreis über dem Wirtshaus zum Beinhofer erfüllt. Was sag ich : der Äther dröhnt wieder ! Denn von Norden her gleitet ein Äroplan heran. Was sag ich, ein formidabel glänzendes Luftschiff, ein Zeppelin in Glanz und Grün und mit schimmernden Schuppen .
„Das ist ja unser Drache !“ schreit Jucundus der Siegreiche.
„Und der kann auf einmal richtig fliegen ?“
„Kunststück !“ kreischt die Druidin.“Aufgetankt mit Cannabis, wie der ist, und vollgepumpt mit Hasch !“
In aller Ruhe gleitet der Drache über das ahnungslose Wirtshaus zum Beinhofer.
„Haltet ihn an !“ Die Druidn ist außer sich. “Er hat doch den Papst im Maul !“
Sie vergeht vor Vorwurf, Scham, Verzweiflung. Und selbst wenn diese ach so zärtliche Zunge des Drachens den Kleinen, den künftigen Papst, nicht hinunter geschluckt hat, so ist er nun doch offensichtlich, an Bord des Drachens, auf dem Wege nach -
„Roooooom !!! Holt ihn doch herunter !“
Rom, klingt es da in den Ohren Jucundus des Siegreichen, Rom, die ewige Stadt, wo ich herkomme ? Und sogleich fühlt er das Pfeilgift wieder in den Knien und die
Kriegselefanten im Angriff auf seine Beine, und er ersehnt einen Speer, um das fliegende grüne Biest in den Bauch zu treffen, damit es im Schilfe des Murnauer Moos abstürzt.
Oder wenigstens behutsam bauchlandet.
Nichts von alledem. Der Drache segelt unbeeindruckt über das Moos hinweg nach Süden. Hinein ins Gebirg. Und stellt, kurz vor dem Verschwinden, nochmal den Schwanz hoch.
„Ihm hinterher !“ ruft die Druidin, aber keinem ist nach einer Verfolgungsjagd. Sondern jeder bestellt lieber ein neues Quartl. Auf das Wohl des Erwählten. Den Papst.
“Ruhe !“ ruft da die Druidin, denn weit im Süden ist ein Orchester zu hören. Es rauscht auf, das Wettersteingebirge gebiert Klänge. Streicherklänge zu Anfang, dann Hörner, großer Orchesterklang, accellerando…
“Die Alpensinfonie !“ schreit Hortensia, „Das ist die Partitur, an der Richard Strauss bei uns geschrieben hat, hier an diesem Tisch !“
Sogleich platzt es auch aus Jucundus, dem Siegreichen heraus : „ Und als der Drache vorhin den Schwanz hochstellte, da hab ich tatsächlich gelesen ‚Klassik furioso nur mit den Münchner Philharmonikern !‘“
Die Alpensinfonie steigert sich zum Gewitter, Blitze fahren hinein, Pauken mischen sich ein, den Kinderchor allerdings hat Richard Strauß doch nicht hinein komponiert, in unguter Erinnerung an Hortensias Kinder.
„Aber wo ist nun mein Kleiner, der Papst ?“ klagt die Druidin.
„Wo wird er denn schon sein“ knarrt da der Michl Willy „da hinten liegt er halt.“
Mitten in Eurer grünen Plantasche, und schlaft.“
Und ruht sich aus vom – pardon ! - reichlichen Misten. Vom Cannabismisten. Und gemistet hat unser Drache wie eine ganze Kuhherde. Und ringsum war nun alles grüngrüngrün. Im Nu war der Wirtsgarten voll, dann der Bierkeller, alles grün grün grün, dann war sogar der Dachboden – pardon ! - voll geschissen, die Fremdenzimmer, die Abwässerkanäle, aus dem Gully ist es gesickert und zwar grün, gn, grün, grün,wohin man auch geschaut hat.
Man wagt sich, durch die grüngrünen Kuhfladen, Drachenfladen, zum Maul des Drachen vor.
„Ei, da steckt er doch, unser graues Mäuschen !“
Der Erwählte, der Büßer ! Da iegt Leo der Große, ganz wie Thomas Mann ihn beschrieben hat. „Es ist sehr borstig. Ein Ding, ein Wesen„ wie es im ERWÄHLTEN heißt „eine lebende Creatur, wenig größer als ein Igel. „
Die Druidin atzt ihn erstmal mit - na was wohl - mit Cannabis. Und wie er knabbert, wie es ihm schmeckt, wie seine niedlichen Pfötchen nach mehr verlangen und immer mehr, so dass Hortensias Kinder nicht leer ausgehen wollen und auch Willy Michl nicht und schon gar nicht Jucundus der Siegreiche.
„Aber so allmählich mal muss er doch nach Rom und auf den heiligen Stuhl gesetzt werden !“
Das wird freilich überhört. Nur nicht vorschnell mit einer viel zu großen Karriere kommen, wenn Leo ( der Große ) so entspannt auf dem Schoße des Missionars Siesta hält und alle päpstlichen Viere von sich streckt.
Währenddessen sitzt auch der Missionar sitzt und , was soll ein Missionar schon tun, liest vor.
„‘Bringt erst einmal „ liest er „bringt erst einmal siebzehn Jahre auf einem Steine hin, herabgesetzt zum Murmeltier…‘“ So wortwörtlich Thomas Mann.
„Ich bin ein Murmeltier, habt ihr gehört !“ kicherte da stolz der Erwählte und streckt sich wohlig.
„Himmelskakri no amal“ schrie da der Willy Michl auf,„wo is denn das ganze Cannabis auf oamoi hi !“
Ei nun, wohin wohin - die Kinder Hortensias haben alles fort stibitzt. Wie es die Art von Komödiantenkindern halt so ist. Und waren als Dealer unterwegs : im Ober- wie im Untermarkt, in den Pflegeheimen, im Gymnasium, auf Zeltplätzen. Sogar in der CSU-Geschäftsstelle !
„No amal afangen !“ ruft der Michl Willy. Und alle griffen wieder nach den spitzen grünen Blättern und begannen neu zu schreffeln.
„Aber wo ist eigentlich“ fragte der Willy Michl „wo ist eigentlich unsere Hortensia?“
Dass diese Hortensia hoch droben in den Lüften schwebte, das wäre wohl zuviel gesagt . Mit einiger Anstrengung geriet sie von Alleebaum zu Alleebaum, das trifft es schon eher. Denn Hortensia bewegt sich im Sitzen fort, um genau zu sein. Thront dem Drachen just hinterm Kopf und sang ihm vor „Ich bin ein Musikante und komm aus Schwabenlande“ oder „Wer recht in Freuden wandern will“ und derlei Tralala, wie wir alle es vom Wandertag her kennen.
Tralala also, denn der Drache ist ja jetzt auf der Suche nach seiner Drachin, von der er nicht weiß, dass sie ein Luftschiff ist. Und in jedem dritten Ahornbaum lassen sie sich aufstöhnend nieder. Werden die dünnen Flügelchen noch reichen, die Allee hinauf, an der Großbaustelle vorbei, über die Eisenbahn hinweg ?
Aber : was ist denn überhaupt ihr Ziel ? Wo denn ein Drachenmädchen suchen, ja gar befriedigend auffinden ? Keine Sorge, liebes Publikum, denn der Geist der Erzählung hat bereits ein Ziel ausgemacht. Es ist der Freizeitpark im Landkreis Fürstenfeldbruck. Die Flügelchen des Drachen sind lahm, die Stimme ist entkräftet - aber : über dem Freizeitpark hängen so viele Ballons und bunte Elipsoide und Spiralen herum, dass sich da die Nachfrage lohnt, ob sie nicht was Verwandtes auch unten auf Vorrat hätten. Riesige Schmetterlinge mit Gondeln unten dran, halbe Monde zum Platznehmen für mindestens acht Personen, eine grinsende Sonne, ein Luftschiff sogar mit Propeller vorn dran. Der Drache malt sich bereits aus, wie er in mit ihr, der Drachin, über der Budenstadt kreisen wird.
Unten auf dem Erdboden freilich gehts streng geschäftsmäßig zu, :“Was steht ihr denn glotzend rum“ brüllt der Mann vom Dienst „in drei Minuten ist Anfang von Das Tapfere Schneiderlein ! Und wir haben kein Wildschwein !“
Ehe Hortensia erklärt hat, sie sei Sängerin und könne jede Arie in jede beliebige Märchen-Vorstellung einpassen, hat man dem Drachen schon unter einem Stück Badvorleger auf die Bühne geschoben.
Und wenn das Schneiderlein zu Ende ist – „Platz da !“ - fängt die nächste Vorstellung an, „Platz da ! Und du bist der Froschkönig, als Aushilfe !“
„Platz da ! Um halb vier fängt Schneewittchen an. Du mit deinem fetten Grün springst ein als Waldwiese. „
„Aber ich bitte Sie“ schreit Hortensia, „ so können Sie doch nicht reden mit einem Drachen, der seine Geliebte sucht !“
Platz da ! Rauf auf die Bühne. Die Pfoten des Drachens sind zerstochen von den rücksichtlosen Mitspielern.
„Platz da, Drachenvieh ! In der nächsten Vorstellung bist Du der linke Felsen in der Cinderella !„
Aber da haben sich die beiden schon still aus dem Staub gemacht. Und vom Schwanz hat man dem Drachen auch noch sechseinhalb Meter abgesägt, und am hinteren Ende des Drachen leuchtet nun eine Signallampe als Schlusslicht.
Ihr dritter Versuch ist in der Oper. Auch hier wird Hortensia übersehen, und auch ihr bejubelter Mezzosopran. Schwerhörig, wie der Korrepetitor ist und schwerhörig sind eben alle Korrepetitoren, das hört man den Opern-Chören auf der Stelle an.
„Können Sie wenigstens Feuer speien ?“ fragte er den Drachen.„Sie müssen ganz einfach den Spiritus ins Maul nehmen“ sagte der Korepetitor und dann komme ich mit dem Feuerzeug…“
Der Korepetitor kommt mit dem Feuerzeug. Und der Drache steht in Flammen.
„Ausatmen ! Ich hab gesagt, Sie sollen ausatmen und nicht die Luft einsaugen.“ Damit ist er schon in der Oper verschwunden, mit dem Ausruf „sowas von unbegabt“. Und der arme Drachenkopf ist nicht mehr zu sehen, weil ihn schwarzes Gewölk einhüllt.
„Immer kriegst du“ schreit Hortensia ihn an, „die Rollen angeboten und nicht ich. Du solltest endlich zum Theater gehen !“
„Aber ich liebe sie doch…“
Die Nase verkockelt. Die Zähne geschwärzt. Die Augen brennen, aber -
Aber als am nächsten Morgen der Herr Dr.jur. Wassily Kandinksky vor die Tür trat, traf er auf das Malermädchen Agathe Ruckdeschel, das arglos seinen Gartenzahn anstrich.
„Wir drehen heute im Murnauer Moos“ begrüßte er sie.
„Und zwar die berühmte Stelle mit den Strahdrischn“.
„Ah ! Die Strahdrischn“ schwärmte das Malermädchen „die berühmten Bauwerke aus Schilf, Tradition und heimischem Erwerbsgeist“ - obwohl die eigentlich nur als Streu im Kuhstall herhielten – „Symbole des Althergebrachten, so wie auch der Gartenzaun, in dem sie gerade jeder Latte eine andere Farbe verpasste, blau, weiß, rot, grün, um das Auge des Dr. jur. Kandinsky sinnlich zu erregen -
Aber da erst bemerkte sie, dass der Angeschwärmte lang schon zum Moose hin entschwunden war. Um diese Begegnung mit den Mal-Damen auf den Film zu bannen,
der im Herbst im deutschen Fernsehen laufen soll, vor Hinz & Kunz, die sich doch nur mit Tatorten und Anne Will auskennen.
Nun aber eilends zurück in den Wirtsgarten vom Beinhofer, denn schon wieder überstürzen sich hier die Ereignisse. Die Kinder Hortensias haben nämlich den Untergrund erforscht. Will sagen, den Erd- und Felsenboden, auf dem der Willy Michl – na ja, sagen wir mal : fusst. Aber darunter, und vor 2000 Jahren, wer hat da bitte gefußt ?
Eben : die Römerstraße !
Denn, Freunde, wir wir befinden uns hier ( beim Beinhofer ) an einem Scheitelpunkt, einem Gipfel, hoch über dem Land und dürfen eine römische Stadt hier sehr wohl erwarten.
Hortensias Kinder kriechen also dort unten umher, fünf Meter unter dem Erdboden, durch alle Kanäle.und Kloaken. Und wieviel Zimmer und Küchen und Hinterstübchen es da unten gibt ! Und Jucundus der Siegreiche entdeckt, wieviel Straßen mit festen Platten, deren Löcher man gar nicht erst ausfüllen muss. Und Bäder, und Planschbecken, und Achtung gebietende Tempel.
Und nur der Drache darf nicht hinunter. Jucundus der Siegreiche zwängt ihn von vorne,
Magnus der Missionar zwängt ihn von hinten, dann presst ihn der Willy Michl mit
beiden Pratzen ins allzu schmale Loch. Nichts geht voran, ein römischer Abgrund und ist halt ein römischer Abgrund.
Aber als ihm der Willy Michl verspricht, ihm aus der Tiefe klein für klein zu berichten, legt er sich grünklobig zufrieden auf die Ausgrabung, und schläft den Schlummer des Sicherheitsbeauftragten.
„Wie herrlich, dass ich nicht nach Rom musste, wie die der Geist der Erzählung es vorgesehen hat“ freut sich der Erwählte. „Denn jetzt habe ich die Römer hier um mich herum ! „
Und krabbelt durch die dunklen Gewölbe, erklomm Mosaiken und Fresken und rastete auf mancher nackten Venus.
„Murnavia antiqua schon besichtigt“ ? bellen die Tourismus-Branche hinaus in die Welt. „Zwischen dem Hofbräuhaus und Neuschwanstein erleben Sie DIE RÖMER IM UNTERGRUND“. Das Fernsehen war da, der Militärische Abschirmdienst war da, der Landrat, 302 Busse jeden Tag, und ganz am Ende auch noch ein paar verhatschte Beamte des Landesamtes für Denkmalpflege.
Aber das Problem ist, wie es auch unsere Landesregierung hat, unser Problem ist grün. Huckelig und voller Warzen. Denn der Drache liegt, mit allen Tonnen, die er hat , auf Eingang zur Römerstadt. Soll der Dorfpolizist nun den Drachen aufschreiben wie einen xbeliebigen Falschparker ? Soll der Bau-Unternehmer seinen schwersten Kran schicken und den Drachen hochheben wie einen Felsblock, der auf der Autobahn liegt ?
Als Kandinsky vom Drehen im Moor zurück kommt, erwartet ihn nicht nur der Gartenzaun mit den frisch gestrichenen Latten, rot weiß grün lila und so weiter , sondern auch eine Reiterin, die auf ihrem Pferd den Zaun wie beim Dressurreiten überspringt. Von links nach rechts, von rechts nach links.
„Hallo, sind Sie nicht der Dr. Kandinsky ?“
Von rechts nach links.
„Ich bin Agathe Ruckdeschel, im Film frisch besetzt als Marianne von Werefkin.“
Von rechts nach links.
„Ich trainiere mit meinen Hengst grade dieses Hindernis.“
Von links nach rechts.
„Das Pferd ist eigentlich der Kavallerist Alexander von Jawlensky, aber mir zuliebe ist er viel lieber der Hengst.“
Von rechts nach links.
„Streicheln Sie ihm sachte die Schnauze ! Er ist nämlich sehr eitel.“
Und das Monokel strahlte vor ihrem rechten stahlblauen Auge.
Und während der Hengst Jawlensky noch springt, wird tief unter der Erde gesprochen :
„Ist das göttlich, so faul im Finstern zu flacken.“
Die Männer, Willy Michl und der Missionar und Jucundus der Siegreiche liegen flach auf dem Rücken. Oder auch : sie geben sich mit Leib und Seele der inneren Einkehr hin. Was das ist, das werdet ihr erfahren, wenn ihr euch ( unter der Erde ) auf den Rücken legt und euch rundum einölen lasst. Mit betörend duftenden Essenzen, in denen der Hibiskus und Kardemomme und Moschus erblühen.
„Und das alles haben wir dem Mithras zu verdanken.“
„Mithras, ist das auch ein Gast beim Beinhofer ?“
„Mithras ist ein römischer Gott !“ weiß Magnus O’Higgins, denn alles Theologische ist seine Zuständigkeit.
„Er hat das Ewige Leben erfunden.“
„Halt auf“ mischt sich da der Willy Michl ein. „Des war fei unser Jesus Christus !“
„Das war der Mithras“ beharrt nun auch Jucundus der Siegreiche, der es wissen muss.
„Und zwar zweihundert Jahre früher als der Jesus. In der Stadt Tarsus, aus der später, auch unser Apostel Paulus kam.“ ( Lest es unter Wikipedia nach, wenn ihrs nicht glaubt ).
Und so schlafen die drei Mithrasgläubigen wieder ein in ihren köstlichen Essenz-Düften. Ekstase, überall würzige Ekstase. Und sie wälzen sich grunzend nach links, alle drei, und wälzen sich grunzend nach rechts, alle drei. Aber nach drei oder vierzehn oder nach ichweißnichtwievielen Tagen starren alle drei angeödet zur Decke. Und es entsteht eine lange Pause.
„Und wann kommen jetzt amal die Frauen ?“
„Der Mithraskult ist eine Religion ohne Frauen.“
Es wird gestöhnt.
„Denkt doch mal : auch der Apostel Paulus war ein Weiberfeind.“
Lest es nach unter Wikipedia, und Jucundus der Siegreiche verdrückt eine altrömische Verwünschung.
„Ohne Frauen“ weiß nun auch Magnus der Missionar, „ist jede Religion nur eine einziges Schlamperei“.
Sie schweigen wieder, und irgendwo hinten tief im Gewölbe tropft einsam Wasser von der Gewölbedecke. Blimm blimm blimm...
„Deswegen also hat das Christentum gesiegt.“
2
Der Beinhofer liegt oben auf der Spitze des Hügelkammes, der sich einem entgegenreckt und entgegenstreckt, wenn man von Hechendorf her die Höhe heraufgeklommen ist. Wenn man schweißbedeckt und durstig ist. Wie alle, die seit 2000 Jahren über die Römerstraße herauf gehechelt und herauf gestöhnt sind : Legionen der Cäsaren, Händlerwagen mit sechs Ochsen vorn dran, der Fugger und Welser, erste Autofahrer töf tööf und letzte Fußwanderer nicht mehr zum Zählen , die alle von Partanum sprich Partenkirchen nach Augusta Vindelicorum wollten - eben nach Augsburg.Bis halt die Olympiastraße, pardon : die Bundesstraße 2 seit 1936 den Beinhofer zu einer versonnenen Waldwirtschaft gemacht hat.
„Uff ! Der Beinhofer ! Endlich Zeit für a Quartl.“
A Quartl ist ein Viertelliter Bier. Da gibt es nichts zu lachen ! Mein Großvater hat Bier nur quartlweis getrunken. 1875 bis 1949. Beim Beinhofer ! Der Beinhofer war sein Leben. Sein Info-Zentrum. Sein Kosmos. Kurzum : der Beinhofer war meines Großvaters Quartl. Heute ist beim Beinhofer – ich erwähne das für die Neuen, die bei der Verlesung der ersten Beinhofer- Geschichten nicht mit dabei waren – ist beim Beinhofer alles anders. Denn heute wird beim Beinhofer Cannabis ausgeschenkt. Das von dem Missionar Magnus O`Higgins angebaut wird.
Der Missionar Magnus O`Higgins gehört zum Beinhofer- Ensemble. Ebenso wie der Willy Michl, Besitzer des Beinhofers. Wie Tullius Jucundus Spirio, der altrömische Wegemeister . Die zwar alle derzeit nicht sichtbar sind , weil sie alle dem Kultus des Mithras verfallen sind, der die Unsterblichkeit erfunden hat und deswegen eingeölt herum flaggen müssen. Nämlich tief unten in den Gewölben der römischen Stadt.
Römische Stadt, römische Stadt, hör ich die Neuen murmeln, wo ist hier eine römische Stadt ?
Wehe dem, der erst als Zweiter kommt ! Denn die römische Stadt, die unter dem Beinhofer ruht, ist auch im ersten Teil entdeckt worden. So kriegt ihr hier eben nur Hortensia, die Sängerin mit den vielen Kindern zu sehen. Die ständig übt und hofft und beim Beinhofer auf dem Heu schläft. Und die Druidin Sheila O’Neill, die die Cannabis-Plantage mit angelegt hat. Und eben unseren Drachen. Der hier wacht, nein : schnarcht.
„Mögens a Quartl Cannabis ?“fragt die Druidin, die hier die Bedienung macht, einen neu hinzu getreten Gast. Und reicht ihm das Quartel mit den altbairischen Worten „Hara rama hare Krishna.“
„Es soll hier“ versetzt der Neue, der irritiert das Gebräu in dem Quartl gekostet hat, „es soll hier eine römische Stadt geben.“
„Schon. Aber der Drache liegt halt drauf. Auf ihren sämtlichen Ein- und Zustiegen“.
„Damit er sie abschirmt vor dem Landesamt für Denkmalpflege mit ihren ganzen wissenschaftlichen Archäologen und Tiefenbohrungen und gribes-grabis und Absperrbandln. Und unsere Männer, die bleiben derweil da drunten. In den Untiefen der Geschichte. Der Willy Michl, und Tullius der Siegreiche und eben auch mein Magnus, der Missionar O‘Higgins, mit dem ich das ganze Cannabis-Graffel da mühsam opflanzt hab.“
Und genehmigt sich selbst einen Schluck aus dem Cannabis-Krug.
„Weil sie halt, die Mannsbilder, alle an den Mithras glauben.“
„Und was bitte ?“ fragt der Neue.“An was denn für einen Mithras - ist das sowas wie ein Duschgel ?“
„Sie ! Versündigen Sie sich nicht ! Mithras is a antike Religion, das sag ich Ihnen als Druidin.“
„Verzeihung“ stutzt da der Neue, der schon leicht bedudelt ist von dem Cannabis-Trank, “ich wollte Ihrem geistlichen Stand nicht zu nahe treten“.
„Geistlicher Stand !“ ereifert sich die Druidin.“De Mandern liegt da drunten und langweilen sich der Unsterblichkeit entgegen, und san rundumdum duftig eingeölt, und mir Weibern da heroben müssen uns um die Ausschenkerei bekümmern und das Cannabis ernten und de Krügeln abwaschen und – vor allem den Drachen füttern.“
Der Drache, als hätte ers gehört, was über ihn gesagt wurde, lasst ein traumseliges „Grgrrrrrrr“ hören.
Und der Neue wird keck, das machen alle die Cannabis-Quartl in ihm :„Da würden Ihnen doch ein paar neue Einnahmen ganz recht kommen. Ich bin absolut kompetent, wo hier was zu verdienen ist, Frau Druidin ! Ich bin eine Sternstunde meines
Fachs -“
„Ich habS Ihnen gleich ogsehn“ raunzt die Druidin „Sie sind der Scheuer Anderl, Verkehrsminister zur Wiederverwendung .“
„Eben der !“ freut der Neue sich. „30.000 Kilometer Gleise hab ich eingespart, um den öffentlichen Fern-Verkehr zu entlasten.“
„Und 243 Millionen Euro Schulden habnS hinterlassen mit Ihrer Maut“ weiß sie auch noch. Denn eine Druidin ahnt halt alles.
„Genau ! Wenn hier beim Beinhofer erst wieder Verkehr wär, also Hochbetrieb a la Andreas Scheuer, wären da Parkplätze ringsum, Würstchenbuden, Glühweinstände, Riesenräder und drüben in das Haus da - „
„Sie meinen die Villa Reinherz“
„Genau. Da zieht die Tourismus-Zentrale ein. Zwischen Hofbräuhaus sowie Neuschwanstein / steige froh in die Katakomben Murnaus ein. Und daraus ergeben sich Führungen, Führungen, Führungen nunter in die römische Stadt und pro Person san sowieso sechs Quartl obligatorisch , das ergibt allein für mich eine Pauschale von – warte mal...“
Und er holt seinen Taschenrechner heraus, vielmehr sein Handy, um seine Hintermänner zu befragen.
„Wie, Scheuer-Bub, “ schreit die Druidin auf, „Sie wollen selber auch mit abkassieren ?“
„Ja, das ist doch alles im weitesten Verkehr Verkehr Verkehr, oder ? „ lächelt der Scheuer treuherzig. „Das bedarf der Koordination, und ich bin die Koordinaton in Person. Ich bin der Verkehr selbst. Schon um meine 243 Millionen Euro wieder reinzukriegen für die ich sprichwörtlich berühmt bin.“
Beide nehmen einen tiefen Schluck aus dem Krügel. Er siegesgewiss, sie raunzig.
„Aber wie also, Minister-Büberl, „wie kriegen wir den Drachen von der römischen Stadt herunter ? „
„Also, wenn ich meine Schienen einbring, und ich die alle 30.000 Kilometer Eisenbahn nebeneinander aufstelle, aufrecht verstehenS, eine Schiene fein säuberlich hinter der andern, und jede Schiene ist einen Meter 53 cm lang, dann ist der Drachen zumindest a bisserl - gelupft.“
„Aha. Bloss gelupft.“
„Man muss halt da drunter den Kopf einziehen.Der Söder müsste in die Knie gehen. Aus Buße dafür, dass er mir noch immer keinen neuen Job - „
„Aber : ob das reicht zu einem Hochbetrieb, den wo Sie mir versprochen haben ?“
Da tritt Hortensia auf, die Hörer der ersten Folge wissen Bescheid, Hortensia die immer noch ihre strahlendste Rolle sucht und nun trällert :
„Almarausch und Edelweiß
ewiger Firn und Gletscherschnee
und mir zwoa ghörn aa derzua
Sennerin und Sennerbua“-
Und weil sie annimmt, Scheuer sei der Ministerpräsidenten , der auf Staatsbesuch gekommen ist wegen der römischen Stadt drapiert sie ihm Almenrausch und Edelweiß um den Hals. In diesem Gewühle auf des Beinhofers Wirtsgarten taucht plötzlich Denis Darcel auf -
Stop ! Schon wieder ein Neuer ! Wer ist dieser Denis Darcel von -
Denis Darcelel von Hintermeyer, bitte. Also . Wenn ich mich auf dem Burggraben stelle – der Burggraben nur als Beispiel – und rufe : Denis Darcel, erscheine uns ! kommt aus jedem zweiten Haus : Denis Darcel von Hintermeyer raus ! Oder wenn ich mich auf den Soller stelle - bitte, der Soller nur als Beispiel - und rufe : Denis, wo bist du ? Kommt der Hintermeyer aus jeder Tür,.Und wenn ich auf dem Kemmel stehe – nur als Beispiel – oder auf der Ramsachleite oder gar Hechendorf und rufe : Darcel -
“Gestatten, dass ich mich selber vorstelle“ lächelt Denis Darcel von Hintermeyer hat dabei ein Edelweiß zwischen den Zähnen, „ die Hälfte der Einwohnerschaft dieses schönen Ortes Murnau bestehen aus Individuen, die auf zwei Krücken oder im Rollator ihren Herzschrittmacher zu transportieren versuchen – Aber wer rollt sie voran ? Denis Darcel von Hintermeyer, von Mantra durchflutet. “
„Gebomgt gebomgt, Herr von Eso“, sagt Andreas Scheuer streng. „Wir brauchen aber Wege, um den Drachen zu heben. In die Luft !“
Der Drache indessen bläst aus seinen Nüstern und dreht sich wieder auf die andere Seite. Um von seiner Drachin zu träumen.
„Am besten „ weiß Denis Darcel, „ich fang gleich mit ihm dem Yoga an. Erst Qui, dann Yin, und schon beim Tao schwebt ihr über unseren Köpfen.“
„Wie bitte ?“ fragt da der ganze Wirtsgarten.
Keiner versteht ein Wort, aber Denis Darcel von Hintermeyer ist halt Eso und Murnau lebt davon. Und Denis Darcel von Hintermeyer dehnt und streckt sich. Aber der Drache schläft weiter.
„Dann versuchen wirs es mit dem assamesischen Riechsalz.“
Aber der Drache schläft.
„Ich banne ihn mit meinem dritten Auge !“
Aber der Drache schläft und kratzt sich hinter einem Ohr. Nach wie vor bodennah.
„Ich übernehme hier das Kommando !“
Ein mächtiger Mann betritt den Wirtsgarten des Beinhofers. Ein roter Dreispitz sitzt unternehmungslustig auf seinem Schädel, und er schaut so einschüchternd ins Publikum, dass keiner mehr fragt, wer er eigentlich ist.
„Wir stemmen den Drachen ganz einfach hoch“ donnert er, „wenn alle tieeeeeeeef einatmen, die uns gewählt haben..“
„Das ist doch reine Zauberei“ stöhnt die Druidin.
„Unsere plötzliche Gegenwart ist auch eine Zauberei“ grinst der mit dem Dreispitz.
Der mit dem roten Dreispitz pfeift. Und die Wirtsbäume beim Beinhofer geraten in Schwingung, die Äste biegen sich, die Dachpfannen schlackern, das Laub flattert einem um die Ohren, die Spatzen flüchten, die Krüglein tanzen, alle Anwesende wirbelts hoch - und es nicht zu übersehen : der Drache schwebt !
„Daran sehen Sie, wieviel Wähler wir bereits wieder haben hier in diesem Land !“
Und geht unter dem Drachen hin und her, und streckt mit seinen Degen hoch in die Luft.
Die Driudin staunt, Denis Darcel von Hintermeier putzt vor lauter Verwunderung sein drittes Auge, Sie wissen schon , das berühmte unsichtbare direkt über der Nase wie bei jedem Eso. Und Andi Scheuer überlegt, ob er Danis Darcel von Hintermeyer nicht mit wieviel Prozent an seinem Geschäft beteiligen soll.
Nur Hortensia, die enthusiastische Sängerin, stimmt diesmal nicht trillernd in die allgemeine Entzückung ein. Und wer direkt an ihrem Munde hinge ( was aber leider keiner der Anwesenden tut ) könnte sie murmeln hören : „Ich frag mich ja, ob diese Wähler beim Drachenlupfen wirklich nur ausgeatmet haben , diese heiße Luft roch doch merkwürdig beinahe wie Schwefel !“
Ja, sohar Künstlerinnen können manchmal den richtigen Riecher haben, auch wenn sie nie beachtet.
Denn aus der Tiefe hervor , die Zu- und Abgänge der römischen Stadt liegen nun ja wieder offen da, aus der Tiefe hervor also klettert nun Tullio Jucundus Spirio hervor. Richtig erinnert , der von der 8. kapadokischen Kohorte, der mit den Pfeilspitzen in der Kniekehlen und dem Schlangengift in den Fersen der Kriegsgegner von damals.
„Ich bin doch eh schon mindestens 2000 Jahre halt“ ereifert Jucundus sich. „Warum erinnert mich denn keiner daran !“
Aber just in diesem Moment sackt der riesige Drachenkörper wieder ab und legt sich, mit einem sanften gummiartigen „plaff“ wie eine Luftmatraze in einem leeren Plantschbecken – wieder auf die römische Stadt drauf. Und deckelt wieder alle ihre Ein- und Zustiege.
Und bedeckt auch alle Pläne des Andreas Scheuer.
„Ich glaube“ meldet der sich zu Wort“ meine Eisenschienen wären da doch nachhaltiger gewesen, Verstehen Sie,
nachhaltiger !“
„Auch unsere Wähler müssen halt auch mal durchatmen !“ ruft der mit dem roten Dreispitz.
Und er fuchtelt mit seinem Degen dem Scheuer Anderl unter der Nase herum. Wie eine impertinente Wespe.
„Das Volk steht auf, der Sturm bricht los, verstanden ?“
„Das Volk steht auf“ erinnert sich die Druidin.“Das klingt ja fast wie die AfD“.
Eine Druidin riecht halt alles.
„Richtig erkannt !“ schreit der mit dem Dreispitz.“Und mindere Exemplare aus absterbenden Parteien gehören ….“
Andreas Scheuer, gewesener Minister, schaut sich ratlos um, wen der mit dem roten Dreispitz denn wohl gemeint haben könnte. Aber der Degen bleibt genau auf ihn, den Scheuer gerichtet.
“Auf wen gehen denn die Abertausende von Rollern zurück“ schreit der mit dem Dreispitz „die die Parkplätze unserer Limousinen verstopfen ! Und wer hat die bitte erfunden, Antwort !“
„Das war“ stottert der Scheuer, „allerdings mein jüngerer Bruder, und der ist Fahrradbastler ... “
„Aha, echt niederbayerisch, immer gleich den Bruder vorschieben !“
Tullius Jucundus Spirio aber geht von dannen. und marschiert auf der Römerstraße entlang im festem Schritt, als alter antiker Zenturio, Richtung Augusta Vindelicorum, also Augsburg. In Domus moratum aber, also in Weilheim, stolpert Tullius über Scheinwerfer, Kabel und Polizisten, die zwar keine sind, sondern nur verkleidete Arbeitslose. Dort wird eine Krimi-Serie gedreht, denn die Weilheimer wollen hinter Tölz und Rosenheim nicht zurück stehen, schon gar nicht gegen die längst wieder verschwundene Murnauer Polizeiserie „Stadt Land Mord“ von 2007 auf SAT 1 seinerzeit, mit bloß 8.8 % Marktanteil und, hallo ! da ist der Tullius Jocundus Spirio grade die richtige Besetzung , mit seinem handgeschmiedeten Brustpanzer.
Und so wird Tullius Jucundus Spirio stracks engagiert. Als zweiter Kommissar, und er macht ja auch was her, mit seinem roten Helmschweif und seinem original altrömischen Schwert. Wenn er mit dem das Beweisstück aufspießt, das corpus delicti , oder dem Verdächtigen das Ohr absäbelt oder dem Verdächtigen die ganze Wohnung zerhaut, Tisch um Tisch und Schrank um Schrank und sogar das Zahnputzglas nicht auslässt, bis in der Tiefkühltruhe endlich die Leiche der Schwiegermutter aufgefunden wird, und das ist immerhin die von Jutta Speidel.
Im Wirtsgarten zum Beinhofer aber hat sich der Drache wieder erhoben, ist wieder hinaufgewirbelt. Diesmal so hoch wie die höchsten Kastanien.
„So viele Wähler wie noch nie !“jubelt der mit dem roten Dreispitz und marschiert im Kreis unter dem Drachenbauch, mit hoch gelüpftem Degen. Sodass völlig unbemerkt zwei Mitglieder des Beinhofer-Ensemble zum Vorschein kommen, die unterdessen – aber wo sind die Hörer der ersten Folge ? - in den Tiefen der Gewölbe der römischen Stadt geschlafen haben und die nun, beunruhigt durch den Stimmengewirr über ihnen, sich mühsam ins Freie hangeln.
Warum mühsam ? Der Schlummer des Michl Willy und des Missionars Magnus O`Higgins war nämlich zuletzt höchst unbequem, weil sie – ich erinnere an das Auf– und Niederlupfens unseres Drachens durch das Gebläse der AfD - weidlich durchgeschüttelt worden sind. Der Drachen auf sie drauf, rumms rumms - und der Drachen von ihnen, rummsrumms, und die beiden sind am Ende hängen geblieben -
Ja, sind hängen geblieben oben in den Rundbögen. Der römischen Stadt. Wo sich seit den Zeiten der römischen Kaiser allerhand Spinnen eingenistet haben und Fledermäuse, und dazu Nachtohreulen und Schnecken, die zwar seit 2000 Jahren ausgestorben sind, dort unten in Kellergewölben aber glänzend gedeihen. Und die nun die beiden, Willy und der Missionar, abzupfen wie Beeren vom Johannisbeerstrauch.
„Schau dir das an ! Was ist denn das schon wieder für ein Gewürm ?“
„Irgend so ein antiquarischer Tintenfisch mit Lamellen dran. Wenn ich den meine Gäst sevier in Olivenöl, mit Cannabis und Knoblauch dazu, landet der Beinhofer noch im Guide Michelin“.
Und dann machen sie hopphopp eine Räuberleiter und steigen aufwärts.
Im Wirtsgarten wird gesungen :"Und wenn wir zum Derschiessn ghörn..."
„Hörstas, wie draußen alles singt ?“ sagt der Willy Michl.
„Das muss der Chor der seligen Geister sein. Wo wir doch jetzt unsterblich sind, vom Mithras aus“ meint der Missionar.
Im Wirtsgarten wird wieder gesungen :
"Und wenn mir zum Derschiassen ghörn
dann wolln wir halt derschossen werden
in unserem Wald auf unsere Baam
am liebsten stirbt man doch dahoam".
Als sie aus den Katakomben heraus kriechen, stellen sie fest :“Also, Engelrn san des net.“
„Die schauen eher aus wie die Kinder von unserer Hortensia.“
„Aber in nagelneuen Uniformen.“
„Und die marschieren. Unter dem Kommando von oam mit am roten Dreispitz.“
„Woasst was ? Mir san als Unsterbliche ausgerechnet gelandet mitten im 30jährigen Krieg.“
„Nichts als wie zrück zu unserm Mithras, bei dem herrscht wenigstens Frieden !“
Aber, eben als sie sich wieder nach unten verdrücken wollen, ins sichere römische Gewölb, erkennt der Michl Willy den mit dem roten Dreispitz : „Du bist doch der Fischer Xari aus Untersöchering !“
„Erlauben Sie mal ! Ich bin die Sturmgruppe Werdenfels der Aktion für Deutschland !“
„Geh zua Xari, tratz mi net, du bist doch allerweil der Kassierer gwesen im Ortsverein von der SPD.“
„Der Sozialismus hat ausgedient !“ bellt der mit dem Dreispitz.“Der Feind rückt an von allen Seiten !“
„Das Abendland“ bellt nun auch der der Scheuer Anderl, ehemaliger Bundes- minister , „das Abendland befindet sich im verschärften Belagerungszustand !“ bellt er, und präsentiert seinen Karabiner, will sagen seine Mistgabel.
„Immer schon war das Esoterische mein Quartl„ lächelt der mit dem Dreispitz. “Schon mit dem transzendentalen Hinweis auf Twitter, wie der Bill Gates alle weißen Völker in den Abgrund lotst und das Corona in Silicon Valley erfunden hat, zwecks Vernichtung der weißen Rasse.“
Und die Kinder der Hortensia, Jungvolk nun alle, schwatzen sogleich weiter, was sie da an Geheimnissen gehört haben, denn selbstverständlich haben sie nun alle Handy. Und aus den Handys strömen neue Geheimnisse heraus : höstas schon ghört, wie der Bill Gates in Afrika Flüchtlinge anwirbt, hastas scho ghört, wie er sie bei uns übers Dach einschleust, hastas scho ghört wann die Katz bei der Nacht miaut des ist in Wirklichkeit de Oma de grad vergwaltigt wird und dem Missionar und dem Michl Willy schwirrt der Kopf : a Quartl jetz her !
Und als sie es endlich haben, schreit „öha !“ der Willy Michl auf und „pfui Deifel“ japst, streng religiös der Missionar. Denn es kein Cannabis mehr im Kriagl, sondern wieder das altvertraute fade braune Bier von der Hackerbrauerei.
„Die Aktion für Deutschland“ schreit der mit dem Dreispitz „hat Rauschgifte verboten !“
„Und der Söder“ schreit der Scheuer Anderl hinterher, denn er ist immerzu der Hinterherchreier „hats sofort unterschieben.“
Grantig würgt der Willy Michl das Bier hinunter, aber der Missionar spuckts aus.
„Ich hab doch“ stöhnt die Druidin „die ganze grüne Pracht gezüchtet ! Eigenhändig angebaut, aber umsonst ! “
„Und wer die ganze Cannabicherei verstößt“ schreit der mit dem Dreispitz weiter, „landet in den Gewölben der römischen Stadt.“
„Auf der alleruntersten Stufe !“ schreit Scheuer, der Hinterherschreier, und fasst seine Mistgabel noch grimmiger, und da haben die Kinder Hortensias, das frische Jungvolk, die Druidin schon hinunter gezerrt ins urtiefe römische Gewölbe.
In die römische Einsamkeit. Aber die Druidin ist gar nicht einsam da unten, sie hält ihre zauberischen Augen offen. Und während die Männer, die wegen des Mithras Eingeölten, hier nur gepennt haben, entdeckt sie mit ihren Druiden-Augen ein Mosaik !
Mosaik, das muss euch gar nicht überraschen, ein Mosaik gehört schließlich zu jeder antiken Ausgrabung, und wen man schon keines in Augsburg gefundet hat, dann rührt das allein daher, dass die Sklaven die vielen Steinchen nicht von Rom herauf bis nach Augusta Vindelicorum schleppen wollten. Und so ordern sich die Steinchen und Glitzerchen hier zu einem Kunstwerk, tief unter dem Beinhofer, vor 2000 Jahren, formten sich zu Ornamenten, Palmetten links und Palmetten rechts, und zauberhaften Ausblicken auf weite Meeresflächen, mit Tritonen und Najaden und Molusken. Schaut es euch in aller Muße an, wenn ihr dran seid mit der nächsten Führung.
Und Drachen vor allem, draco darcissimus, ganze Familien mit Enkeln und Urenkeln und Nebenneffen, es geht drunter und drüber wie im Herbarium im Zoo. Die Drachenbrut plantscht wie Heringsvölker herum im lagus gradus, im Staffelsee also, aalt sich dort wo Seehausen heute ist, und spielt fangen in Riedhausen, eins zwei und ich bin frei, schlagen Purzelbaum auf dem Dünaberg und erklimmt die hohen Tannen auf dem Heimgarten, um dort mit ihren langen Zungen Fliegen zu fangen.. Und die Druidin als eine richtige heidnische Spökenkiekerin, stürzt sich mitten hinein ins Wasser, hinein ins Mosaik und paddelt fort, weit fort….
Und die Kinder Hortensias verkünden oben im Wirtsgarten, welchen Fund die Druidin da unten gemacht hat.
„Haltet die heidnische Vettel zurück !“ schreit der mit dem Zweispitz “Der römische Keller ist doch für unsere Waffenkammer bestimmt !“
„Waffenkammer ?“ fragt da der Drache, auf einmal hellhörig geworden.„Sie rüsten also auf ?“
„Wie alle bedrohten Weißen“ lässt der mit dem Dreispitz knapp verlauten „wenn ihr Fort in äußerster Gefahr ist“.
Und das breite Maul des Drachen schiebt sich ganz nah vor das Gesicht dessen mit dem roten Dreispitz.
„Als Drache liebe ich Helden. Die Recken, auf die das Vaterland schaut ! Und dazu kann ich ja auch noch Feuer speien, so dass der Plebs wild davon hetzt, und mit dem Schwanz kann ich schlagen, dass ganze Städte abgedeckt werden und die Überlandleitungen gehen zu Bruch, und dazu kann ich die besiegten Feinde auf meinen Rückenflossen aufspießen .“
Und grinst immer breiter dabei, und ringelt dem mit dem Dreispitz die Schwanzspitze um den Hals. Hortensia schluchzt dabei hoch im Diskant, und der Scheuer Anderl schluckt auch, richtige Bundesministertränen, und fasst seine Mistgabel noch entschlossener und wünscht sich, es möge bald ein Karabiner sein.
Und der mit dem Dreispitz pfeift, und heiße Luft strömt unter den Drachen, heiße Luft und Denis Darcel von Hintermeyer steckt Almenrausch und Edelweiß zwischen die Schuppen des Drachen, sodass der nun aussieht wie ein Ochs beim Almabtrieb im bayerischen Fernsehen.
Und der Drache erhebt sich in die Luft, wie es noch niemand im Wirtsgarten erlebt hat, wie es überhaupt keiner von uns je erlebt hat, denn wer hat schon mal einen Drachen herumflügeln sehen, außer er war grade zufällig in China. Und der Drache, rechtslastig stramm aufgeblasen, zieht eine Runde über dem Murnauer Moos, wo sonst nur die Hubschrauber des UKM zugange sind, und schade, dass die Münter, unser aller Gabriele Münter, es nicht mehr auf eines ihrer Bilder hat bannen können , als „Grüner Drachen vor violettem Himmel“, denn dann hinge es jetzt in der Lenbach-Galerie. Und der mit dem roten Dreispitz sitzt ihm verwegen im Drachen-Genick und wedelt mit den Beinen wie John Wayne kurz vor der Attacke.
Und wie sie so über das Moos dahin schweben, richtet sich da unten einer sein Fernglas auf das fantastische Raumschiff, und läßt das teure Gerät vor Überraschung in ein Sumpfloch fallen. Dieser überraschte Beobachter ist aber kein anderer als der letzte SPD-Gemeinderat, der schon seit längerem sich aus der hektischen Politik zurück gezogen und auf das meditative Beobachten seltener Vögel verlegt hat, wie Sumpfgrasmücke und Himmelsziege. Mit scharf eingestellter Linse hat er da droben den abtrünnigen Kassierer des SPD-Ortsvereins , den Fischer Xare aus Untersöchering erkannt, und jetzt entfährt ihm ein Seufzer der Erleichterung : denn wenn dieser selbst ernannte Sturmgruppenführer von einem Drachen Richtung Süden entführt wird und unterwegs sogar von einem passenden Vulkan entsorgt würde, dann dürfte seine führerlose Wählergemeinde sich selber auflösen. Und, so freut sich der brave Sozialdemokrat, dann wirds auch mit diesem braunen Spuk endgültig vorbei sein – ein Irrtum,wie er, historisch gesehen, bei seiner Partei reichlich Tradition hat.
Da stürmt, als der Drache grade an der hohen Kiste vorbei segelt, Tullius Jucundus Spirio in den Wirtsgarten, den wir doch auf kriminalistischer Ermittlung vermutet haben, wenn auch nur in Weilheim und nur fürs Fernsehen. Stürmt also herein, dramatisch wie es einem Sonderkommissar zukommt und muss, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, sein römisches Schwert in die Luft strecken und – da alle nach wie vor auf den Drachen starren, der sich nun sanft den Ammergauer Alpen nähert - und muss mit Zenturiostimme verkünden :“Das Fernsehen - will seinen Tatort verlegen – und zwar nach Murnau !“
Alle Köpfen wenden sich vom Drachen ab, und es ist der Scheuer Anderl, der als erstes sein Stimme wieder findet : „Wegen unserer römischen Stadt ?“
„Nein, wegen dem Drachen !!!“
Und allgemeiner Jubel bricht aus den Murnauern hervor.
„Murnau Zombies soll die Serie heißen, mit Kommissar Tullius Jucundus Spirio co starring!“ jubelt Spirio und stösst sein Schwert in die Luft.
„Und unser Tullius“ jubelt Hortensia „sitzt dann im Fernsehen auf dem Drachen und verfolgt die Täter gnadenlos übers Hörndl und stellt sie in Linderhof, wo die sich in der Feengrotte verbergen wollen, aber der Drache räuchert sie aus , und dann...und dann…“
Es wird verlegen still im Wirtsgarten.
„Da oben am Himmel“, der Willy Michl hebt müde den Arm “da oben, da fliegt der Drache grad davon. Diesmal in echt.“
Und Tullius zückt sein Schwert und zerhaut einen Wirtshaustisch. Nein, er zerhaut gleich fünf, aus lauter altrömischem Zorn. Der Drache , als hätte ers bemerkt und vor allem die Wut, verlangsamt seinen Flug. Und dreht eine nachdenkliche Runde. Um das Ettaler Mandl herum ! Drei oder viermal, und all den Betrachtern hier unten im Wirtsgarten geht das Herz auf, wenn der Drache sein Ärmchen um die Felsen des Ettaler Mandls legt, nein : er umschmiegt das Mannd und mit seinem mächtigen Leib – radebumm radebumm um die Zinne herum ! – um den Fels schwebt.
Dieser kleine Schunkelpause lässt in Tullius Jucundus neue Hoffnung erstrahlen. Er macht einen Trichter vor dem Mund mit beiden Händen und ruft zum Ettaler Mandl hinauf : „ Wir kommen in die Talk-Show ! Ich und der Drache sind eingeladen bei Markus Lanz !„
Und alle im Wirtsgarten stellen sich vor, wie der mächtige Drache dabei im Fernsehstudio auf einem roten Teppich liegen wird , und wie Markus Lanz auf einer Pfote sitzt und Tullius auf der anderen, und überall leuchten Almenrausch und Edelweiß, denn auch Denis Darcel von Hintermeyer hat schon wieder alles mit der Flora der Alpen voll gesteckt, und er hat Markus Lanz und den Intendanten und sogar dessen Gattin rumgekriegt zu einem extra Joga-Kurs.
Aber in Wirklichkeit…
In Wirklichkeit verstummt das Gelächter der Leute im Wirtsgarten, denn der Drache nimmt seine Ärmchen vom Ettaler Mandl und - kehrt zurück ? Nichts da. Er fliegt in die Wolken hinein, die über dem Garmischer Tal stehen und bleibt verschwunden.
„Die fliegen“ mutmaßt der Andreas Scheuer, „die fliegen direkt nach Rom !“
„Nach Rom !“ schreit Tullius auf. „Und nehmen mich schon wieder nicht mit !“
Lange Pause.
„Magst jetz“ fragt der Willy Michl den Tullius Jucundus Spirio„ vielleicht doch no a Quartl ?“
Ein Quartl Bier. Und was soll Tullius mit einem solchen faden Gebräu schon machen ? Und er lässt sich voll laufen damit.
„Und wo ist eigentlich Deine Dienstmarke „ fragt der Willy Nichl. „Ich meine, echt vamtlich, vom Polizeipräsidium !“ Ihre Dienstmarke vom Polizeipräsidium ?“
„Die Dienstmarke…“ stottert Tullius. Die Requisite hat ihm keine gegeben, und Tullius ist des Trübsinns voll. Er ist halt nur ein scheinhafter Kommissar, und eine Fernsehserie ist nicht die Realität, und der Beinhofer ist ohne Fernsehen, und das gilt natürlich auch genau anders herum. Und das ohne den Drachen.
„Fünftausend Jahr “ sinniert der Willy Michl hinein in den Quartlkrug „haben mir a Monster ghabt und jetz sitz mal auf amal ohne Drachen da…“
„Vielleicht“, fängt einer wieder an,“wenn wir uns künstlich selber einen erschaffen, ich meinen einen eigenen Drachen ?“
„An eigenen Drachen ?“
„Du meinst aus Gips ?“
„Oder meinst einen aus Styropor ?“
Da entsinnt sich Hortensia, wie sie seinerzeit, als sie immer endlos auf Rollen gewartet hat, getan hat was alle anderen wartende Sängerinnen auch getan haben : sie hat ganz einfach gestrickt.
„Ich biete euch an : ich erschaffe euch einen neuen Drachen aus Nadel und Wolle !“
„Aus Wolle meinst du ? Aber du hast doch gar keine. “
„Wir haben doch mehr Garne und Wolle als wir brauchen“ fällt es da dem Scheuer Anderl ein, schon weil dem immer das einfällt, was es eigentlich gar nicht gibt. „Cannabis ist doch nichts anderes als wie indischer Hanf, in Indien dreht man sogar Seile daraus, und wir haben gleich eine ganze Plantage davon.“
Und er macht es gleich vor, zieht aus dem Cannabis die grünen Strippen heraus, verwutzeln sie zu grünen Stengeln und Garn, und alle im Wirtsgarten fassen mit an und drehen und werkeln, das Grünzeug wird biegsam gemacht, aus dem grünen Cannabis wird grüne Wolle, und endlich sausen die Stricknadeln der Hortensia.
Und sie lässt ihre Stimme summen dabei. „Ach, ich hätte ich singen können, wenn sie mich mit genommen hätten nach Italien ! In der Arena von Verona, als Aida, zwei links, zwei rechts“ nadelt Hortensia „Almarausch und Edelweiß , zwei links, zwei rechts, und sie strickt so manches Almenrausch und strahlend weißes Edelweiß hinein in die wolligen Schuppen des Drachen, des neuen Drachen, der nun zwischen ihren Nadeln entsteht. und dass der sich immer flauschiger von dem Wirthaustisch auf den Boden windet, bald schon durch den Wirtsgarten ringelt, schon zum Kamin hinauf wächst und wächst und -
Aber halt, im Wirtsgarten geht ja noch anderes vor, liebe Zuhörer. Von Führungen war schon die Rede, Führungen überschwemmen das ganze Oberland , Führungen sind nun mal Massen-Tourismus schlechthin, vom Murnauer Schäfflerbrunnen bis zu den Garmischer Sprungschanzen wird alles Buchenswerte besichtigt. Gnadenlos ! Und warum sollte da nicht eine alte Bekannte aus unserer Beinhofer-Ensemble ihre Chance wahrnehmen ? Nämlich unsere Agatha Ruckdeschel, das Malermädchen aus der ersten Folge ? Malen hat sich ihr als zu beschwerlich erwiesen, aber eine Führung anführen ist federleicht :“Hier sehen Sie ein Motiv unserer Gabriele Münter. Im Original links sehen Sie die Strahdrischn in der Natur und zwar grau in grau, auf dem Gemälde rechts aber sehen Sie die Strahdrischn durch Gabrieles Pinsel in leuchtendem Violett erstrahlen…“
Was Sie sich halt jeden Tag so mit anhören müssen, wenn sie in Murnau unterwegs sind.
Nun aber erst, wenn es Tullius Jucundus Spirio in einer Führung durch Agatha Ruckdeschel zu besichtigen gilt !
„Hier sehen Sie den weltberühmten Weilheimer Fernsehkommissar mit einer Einschaltquote von 21 Komma drei. Der Kämpe aller Schlachten in Syrien, Mesopotamien und Gallien, und überall siegreich. In seinem linken Knie stecken immer noch die Giftpfeile der hethitischen Kavallerie, in seinem rechten Knie die Stoßzähne der Kriegselefanten der Perser…“
Wir kennen seine Kriegstaten ja aus der ersten Folge von "Beim Beinhofer" im Fernsehen. Und natürlich lässt das Malermädchen weg, dass Tullius Jucundus Spirio ja ursprünglich eigentlich abgestellt worden ist, um die hiesigen Schlaglöcher in der Römerstraße aus Hechendorf herauf aufzufüllen. Die Geführten, die Angeführten, pardon, die Touristen klopfen dem römischen Krieger auf dem handgeschmiedeten Brustpanzer herum, kratzen ihr Monogramm hinein, setzen seinen rot geflügelten Helm auf, die kleinen Mädchen probieren seine Beinschienen an und die Dreikäsehochs nehmen das Schwert in die Händchen und alle vereinigen sich um den Tullius Jucundus Spirio herum zu einem Selfie, während im Hintergrund Hortensia nadelt und nadelt, sodass nun die Maschen sich flauschig und immer flauschiger vom Tisch herab auf den Boden winden, zwei links zwei rechts, und die wolligen Schuppen bereits bis zum Dach hinauf züngeln, zwei rechts, zwei links.
Und wenn nun endlich der Corpus des Drachen höher und höher wächst ? Oder doch wachsen sollte, wenn halt nur auch ein Knochengerüst drin wäre. Ein Skelett nämlich ! Oder ganz einfach : eine Trage-Konstruktion. Und so kommt der Scheuer Anderl, wieder mal auf eine seiner Ideen wie sie sonst keiner hat, nämlich auf den bescheuerten Einfall ( aber das ist ernst gemeint ) , das hohle Monster mit den endlos vielen Blättern aus den Überbleibsern der Cannabis-Plantage aufzupolstern. Vom leeren Riesenstrumpf zum dicken Stopfdrachen !
Und so stopfen und polstern denn alle nun fleißig, der Scheuer und die Hortensia und der Michl Willy und Denis Darcel von Hintermeier und der Missionar und Tullius Jucundus Spirio, alle nehmen nochmal allerletzte Lungenzüge aus dem nun verbotenen Kraut, einl wichs und zweil nechts. Und der neue Corpus richtet sich auf wie ein Teddybär, den man mit Methan aufbläst, und das gestrickte Haupt des neuen Drachen erhebt sich über die Murnauer Gemeinde : tralala, ich bin da, zwei rinks zwei lechts.
Und grinst sieghaft dabei. Sieghaft, wie es nur ein Gestrickter kann.
Und alle Biedermänner und Biederfrauen und Biederkinder für die der Beinhofer bislang als igittes Hasch-Höhle gegolten hat wegen dem Cannabis, alle strömen nun herbei , die Trachtler in Trachten- Gluiferln und die Schützen mit den Spielhahnfedern. Und unser Scheuer Anderl ist wieder bei seiner allerliebsten Aufgabe, dem Abkassieren. Alles hat sich ja nach seiner Vision entwickelt, Würstchenbude sind da, Eisbuden sind da, Parkplätze, Riesenräder, Schützenstände, Verkehr Verkehr Verkehr. Alles unter seinem Leitmotiv Zwischen Hofbräuhaus und vor Neuschwanstein / kraxle fix in Murnaus Monster rein.
Und alle kraxeln sie hinein, keiner hat mehr Angst vor dem schuppigen Grün, oder gar vor dem Mist, säuberlich und frisch charmant gerade für den Mittelstand. Gewiss, da ist kein sperriges Drachenfleisch mehr drunter, das ist alles bodenlos und unergründlich wie das Murnauer Moos, und wenn schon der oder andere versinkt, ist es wie das Abtauchen in lauter Schlagsahne, grün und ohne Luftblasen, da nur aus Cannabis. Wo ist er denn nur hin entschwunden, der Herr Schützenkönig, fragt man sich da, wird er halt von seinen üppigen Charivari in die Tiefe gezogen worden sein, oder die Frau Sparkassenvorstand, von ihren Unterröcken umrauscht wird sie dahin getragen werden durch die gestrickte Cannabisblätter-Tiefe , und alle kicherpusten vor Vergnügen. Zwischen Hofbräuhaus und vor Neuschwanstein / kraxle fix in Murnaus Monster rein . Durchgedreht und verschwurbelt, aber voll des köstlichen Dops.
Eben des Dops, vor dem unser Söder uns alle immerzu gewarnt hat.
Und Denis Darcel von Hintermeier, unser Wunderheiler, kümmert sich um die vom Stricken geschwollenen Finger unser Hortensia, macht blas blas, biologisch natürlich, denn nun braucht Hortensia eine längere Aus-Zeit von jeder Strickerei. Aber dafür springen resche Trachtlerinnen für sie ein. Sie setzen sich in traulichem Kreis um Hortensia, mit Cannabissaft auf den Fingern und alle nadeln nadeln nadeln – na was wohl ?
Einen kleinen Drachen nadelt eine jede. Der eine mit Flügelchen, der andere mit grimmigen Rückenpanzer oder wie er Feuer auspeit, dass es schon zum Fürchten ist.
Der Friedensmann, ihr alle kennt ihn, er steht Tag für Tag und das ganze Jahr über unterhalb der Mutter Maria auf dem Obermarkt, und hält Wache für den Frieden, und manchmal hat er auch die eine oder andere Druckschrift der Reichsbürger mit dabei. Und der kriegt auf einmal eine Postkarte. Eine Postkarte mit schönen Marken drauf – aus Rom ! Wo vorne drauf der Dache abkonterfeit ist, unser alter tausendjähriger Murnauer Drache, wie er auf dem Colosseum zu Rom sitzt und wo hinten drauf steht : „Lieber Friedensbruder, ich habe in so manchem Alpental bezaubernde Drachen-Damen aufgesammelt. Mein Harem ist um mich her versammelt. In Liebe dein alter Drago.“
Der Friedensmann zeigt die Drachenkarte allen, die vorbei kommen. „Die Narrischen sind endlich an der Macht !“ jubelt der Friedensmann. Und singt :
Almenrausch und Edelweiß
ewger Fern und Gletscherschnee
und wir zwei ghörn aa dazua
Sennerin und Sennersbua.
Oh, ihr Berge, Heimat meiner Lieder
all mein Treu, sie ist da oben bei euch
gebt mir Hoffnung, Treu und Glauben wieder
nehmt mich auf in euer Sonnenreich -
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